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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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aus Löwenzahn. Caleb konnte sich gut vorstellen, daß die temperamentvolle, hitzige Romy es hier nicht lange aushalten würde.
    Auf dem Weg zum Haus bemerkte er ein kleines Kind, das, nur mit einem kurzärmeligen Hemdchen und einer Windel bekleidet, auf unsicheren Beinchen den Gartenweg herunterwackelte. Leichter, als der Kleine erwartet hatte, sprang das Törchen auf, und er fiel prompt auf die Nase. Einen Moment blieb es still, dann erschallte markerschütterndes Gebrüll.
    Caleb hob den Kleinen auf, klopfte ihm den Rücken und versuchte, ihn abzulenken, indem er ihm seine Armbanduhr zeigte. Mit dem Kind auf dem Arm ging er zwischen eingedrückten Gummibällen und demolierten Dreirädern hindurch den Weg hinauf zur Haustür und klopfte.
    Ein junges Mädchen öffnete ihm. Als Caleb nach ihrer Mutter fragte, rannte sie ins Haus zurück und rief laut: »Mama, draußen ist ein Mann, und er hat Gareth auf dem Arm.«
    Gareths Jammergeheul war zu einem gelegentlichen Wimmern abgeebbt, und von Calebs Armbanduhr tropften Tränen und Rotz, als eine verhärmt aussehende Frau an die Tür trat. Caleb reichte ihr den Kleinen.
    »Er ist hingefallen«, erklärte er. »Ich fürchte, er hat ein paar Schrammen an der Nase und den Knien abbekommen.«
    Mrs. Parry schalt beide Kinder und dankte Caleb. »Du schlimmer Junge, Gareth – vielen Dank, das war sehr nett von Ihnen –, du darfst doch nicht einfach weglaufen, mein kleiner Schatz, ich hab dir extra gesagt, du sollst auf ihn aufpassen, Carol –«
    »Ich wollte Sie sprechen«, sagte Caleb, »weil –«
    »Ja?« Mrs. Parry wiegte den Kleinen auf ihrer Hüfte.
    »Ich bin auf der Suche nach Romy.«
    Mißtrauen blitzte in Martha Parrys braunen Augen auf, die Caleb stark an die Augen ihrer Tochter erinnerten.
    Er sagte hastig: »Wir sind uns vor ein paar Monaten zufällig begegnet –«
    »Mama!« Carol kam wieder zur Tür.
    »Romy lebt in London«, sagte Mrs. Parry.
    Der Kleine hatte wieder zu weinen begonnen. Carol zog ihre Mutter an der Schürze. »Mama, die Kartoffeln sind schon ganz matschig.«
    »Könnten Sie mir ihre Adresse geben?«
    »Ich weiß nicht so recht – jetzt reicht’s aber wirklich, Gareth –«
    »Mama, die Kartoffeln –«
    »Ach, verflixt noch mal!« Martha Parry riß die Geduld. Sie warf den kleinen Gareth wie einen Sack über ihre Schulter, gab dem Mädchen eine Ohrfeige und machte kehrt, um ins Haus zu gehen. Bevor sie aus seinem Blickfeld verschwand, drehte sie sich kurz zu Caleb um und rief: »Romy arbeitet in einem Hotel. Irgendwo in London – Trelawney heißt es.«
    An ihrem freien Samstagnachmittag schrieb Romy ihrer Mutter und schickte ihr per Postanweisung zehn Shillinge. Als sie von der Post zurückkam, sagte Max, der Portier: »Du hast Besuch, Romy. Er sagt, er wär dein Bruder.«
    Sie schaute über den Platz zur Grünanlage hinüber. Da saß er mit ruhelos wippendem Fuß auf einer Bank. Ihr Bruder Jem. Neben ihm lag zusammengerollt ein reichlich verwahrlost aussehender Hund unbestimmbarer Rasse.
    Sie rannte zu ihm und warf ihm die Arme um den Hals. »Jem! Wo bist du gewesen?«
    »In Norfolk.« Er lachte. »Da hab ich Bohnen und Erbsen gepflückt. Letzte Woche hab ich bei der Lavendelernte mitgeholfen. Ich habe gestunken wie ein ganzer Wäscheschrank.«
    Sie roch nur Erde und Tabak und die muffige Ausdünstung ungewaschener Kleider. Sie trat einen Schritt zurück, um ihn zu betrachten. Sein dunkles, lockiges Haar war zerzaust, seine Haut braun gebrannt von der Sonne. Er sah aus wie ein Zigeuner.
    »Schau!« sagte er und strahlte sie an. »Ich hab dir was mitgebracht.« Er nahm eine Papiertüte aus seiner Jackentasche.
    Sie war voller Lavendelblüten. Romy schloß die Augen und atmete den Duft ein. »Ich hab dich überall gesucht«, sagte sie.
    »Ich weiß. Mam hat’s mir gesagt.«
    »Du warst zu Hause?«
    »Nur kurz, um meine restlichen Sachen zu holen. Ich hab gewartet, bis der verdammte alte Mistkerl weg war. Mam hat mir gesagt, daß du in London bist.« Jems Blick schweifte über die Straße zum Hotel. »Feudal, feudal«, sagte er.
    »Ich dachte schon, du kämst nie mehr zurück.«
    »Dummkopf.« Er gab ihr einen liebevollen Klaps auf die Wange. »Ich komm immer zurück. Das hab ich dir doch gesagt.«
    »Und jetzt? Wo wohnst du jetzt?«
    Jem nahm Zigarettenpapier und einen Beutel Tabak heraus. »Ein Kollege, den ich auf dem Hof in Norfolk getroffen hab, hat eine Bude in Battersea. Wir schlafen bei ihm auf dem Fußboden, Arthur und

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