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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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»Wenn er diese Familie deinetwegen rausgeworfen hat. Herrgott noch mal, dem Kerl gehört praktisch das ganze verdammte Dorf. Mußte er dich auch noch zu seinem Eigentum machen?« Eine neue, noch furchtbarere Möglichkeit kam ihm in den Sinn. »Er hat dich doch nicht – er hat dich nicht gezwungen –«
    »Nein, nein.« Sie krampfte die Hände ineinander. Dann sagte sie ganz ruhig: »Es war meine Entscheidung. Es war immer meine Entscheidung. Die Wichtigtuer im Dorf können das nicht ertragen, aber es war immer meine Entscheidung. Ich habe immer getan, was ich wollte, Caleb. Und wenn ich Fehler gemacht habe, dann habe ich sie nur mir selbst vorzuwerfen.«
    Aber er hatte immer noch Romy Coles Worte im Kopf. Ihr Mr. Daubeny hat uns aus Middlemere rausgeschmissen, weil er das Haus seiner Geliebten geben wollte . Er fragte sich, ob das, wenn es denn zutraf, die Sache besser oder schlimmer machte. Langsam sagte er: »War es wegen dem Haus? Hast du deshalb was mit ihm angefangen?«
    Sie antwortete nicht gleich. Aber nach einer Weile sagte sie: »Du kannst dich wahrscheinlich nicht erinnern, wie wir vorher gewohnt haben – die Toilette draußen, die Zimmer feucht und das Dach undicht. Du hattest jeden Winter eine Bronchitis.«
    Er verzog verächtlich den Mund. »Dann war es also ein – ein Geschäft?«
    »Und wenn?« entgegnete sie trotzig. »Ich sah eine Möglichkeit zu einem besseren Leben für uns. War das so schlecht? Ich habe getan, was ich tun mußte. Ich schäme mich nicht dafür.«
    Die nächsten Worte hingen unausgesprochen in der Luft: Ich habe es für dich getan, Caleb . Sie drückte fröstelnd beide Arme um ihren Oberkörper. »Die Abende sind immer so kühl«, murmelte sie. »Ich mache uns jetzt eine Tasse Tee, ja?«
    Ihre Lösung für jedes Problem, dachte er, als sie über den Hof zum Haus zurückging: wenn sie in der Arbeit einen schlechten Tag gehabt hatte; wenn sie müde war; wenn sie traurig war – eine Tasse Tee und eine Zigarette. Caleb schaute ins Tal hinaus, in dem die von Hecken gesäumten Wiesen ein unregelmäßiges Muster bildeten. In den weiter entfernten Feldern hatten sie schon begonnen, das Getreide zu mähen; wie grauer Samt schimmerten die stoppeligen Flächen im Mondlicht. Der Friede des Bildes beruhigte ihn, sein Zorn verflog, zurück blieben Erschöpfung und Ratlosigkeit.
    Konnte er von seiner lebenslustigen, attraktiven Mutter verlangen, daß sie den Rest ihres Lebens als Einsiedlerin zubrachte? Wäre es ihm lieber gewesen, sie hätte wieder geheiratet? Wäre es ihm lieber gewesen, sie hätte ihm einen Stiefvater vor die Nase gesetzt, einen Eindringling, einen wildfremden Kerl, den er nicht gewählt hatte; der nicht nur das Bett seiner Mutter, sondern auch ihr gemeinsames Haus und ihr gemeinsames Leben geteilt hätte?
    Auch wenn ihm ihr Männergeschmack unverständlich erschien – hatte er ein Recht zu Kritik? Er dachte an seine verflossenen Freundinnen. Ein mollige, stupsnasige Bauerntochter, bevor er zum Militär mußte. Eine Köchin, eine Bedienung und eine Verkäuferin in der Zeit, als er beim Militär gewesen war. Die Verkäuferin hatte schmachtende braune Augen gehabt und wie ein wiehernder Esel geklungen, wenn sie gelacht hatte; die Köchin war ein nettes, großzügiges Mädchen gewesen und hatte ihm nach zwei Monaten wegen eines Corporals den Laufpaß gegeben. Die Bedienung – Jane? June? – hatte ihm bei ihrem zweiten Rendezvous erklärt, daß sie die Absicht hatte, verheiratet zu sein, bevor sie einundzwanzig wurde. Sie hatte ihm in allen Details das Hochzeitskleid beschrieben, das sie sich schneidern wollte, und die diversen kleinen Nichten und Neffen aufgezählt, die bei der Hochzeit Blumen streuen sollten. Caleb war ungeheuer erleichtert gewesen, als er eine Woche später in ein anderes Lager verlegt worden war.
    Und nach dem Militär? Er erinnerte sich an die Nacht, in der er seine Entlassung gefeiert hatte, an die Kneipen in Soho und die Fete in Chelsea. Er war wie im Rausch gewesen, überzeugt, auf der Schwelle zu einem aufregenden Leben voller Freiheit und Liebe zu stehen. Und was war daraus geworden? Sechs Monate später saß er, mit einem Job, der keinerlei Zukunftsaussichten bot, wieder zu Hause bei seiner Mutter.
    Er ging zum Stall hinüber und hob die Scherben der Tontöpfe auf. Gedanken an die Ereignisse der letzten Tage bedrängten ihn. Er wußte, daß er bei Broadbent würde kündigen müssen. Leer dehnten sich die kommenden Wochen und Monate vor ihm,

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