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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Liebhaber war.«
    Einen Moment erstarrte sie. Dann drehte sie ihm den Rücken und hielt den Teekessel unter den Wasserhahn. Hastig sagte er: »Ich meine nicht jetzt – ich meine, früher – damals, als wir hierhergezogen sind.«
    Sie drehte sich herum. »Caleb«, sagte sie leise.
    »Es ist doch nicht wahr, oder, Mama?«
    Sie hielt immer noch den Kessel in der Hand. In ihrem Blick lag ein Ausdruck, den er selten zuvor gesehen hatte. Er konnte den Gedanken, daß es Furcht war, kaum ertragen.
    »Wer hat dir das erzählt?«
    »Romy Cole.«
    Sie sah ihn verständnislos an. »Wer?«
    »Dieses Mädchen, das vor uns hier gelebt hat – das neulich mal hierherkam.«
    »Ja. Natürlich.« Sie stellte den Kessel weg und kramte in ihrer Handtasche nach Zigaretten. »Romy Cole«, sagte sie leise. »Mein Gott.«
    »Sie hat behauptet, nur deswegen hätten wir das Haus bekommen. Weil du und Mr. Daubeny – aber das war gelogen, stimmt’s?«
    Betty antwortete nicht. Calebs Herz begann schneller zu klopfen, während die Augenblicke sich in die Länge zogen. »Mama!« sagte er. »Sie hat gelogen, nicht wahr? Komm, sag mir, daß sie gelogen hat.«
    Sie schwieg immer noch. Seine Mutter, die nie länger als ein paar Sekunden still sein konnte, schien um Worte verlegen. Caleb sprang auf. Der Stuhl, auf dem er gesessen hatte, kippte um und fiel krachend zu Boden. Als er stolpernd hinausrannte, hörte er seine Mutter rufen.
    Im Hof schien die Nacht den Duft der Malven und Lilien verstärkt zu haben. Er atmete tief die wohlriechende Luft ein, dann ergriff er einen Brocken Flintstein und schleuderte ihn gegen die Stallmauer. Er traf einen Stapel Blumentöpfe, die scheppernd zersprangen.
    Er hörte, wie sich die Hintertür öffnete und seine Mutter auf das Kopfsteinpflaster hinaustrat. »Caleb«, sagte sie. »Bitte, hör mir zu. Der einzige Mann, den ich je geliebt habe, war dein Vater, und das ist die Wahrheit. Ich werde nie wieder heiraten, weil ich nie wieder einen Mann finde, der Archie das Wasser reichen könnte.« Ihre Stimme war ohne den gewohnten lebhaften Schwung. Seine Mutter schien erschüttert. »Aber ich bin nicht bereit, mein Leben lang allein zu bleiben«, fuhr sie fort. »Ich bin nicht bereit, wie eine Nonne zu leben, das wäre gegen meine Natur. Und das tue ich für niemanden. Nicht einmal für dich, Caleb.«
    Er drehte sich nach ihr um. »Und Daubeny?«
    In ihren Augen standen Tränen. Beinahe verzweifelt sagte er: »Sag mir, daß da nichts dran ist, Mama«, aber sie schüttelte den Kopf.
    »Das kann ich nicht, mein Junge. Ich habe mich ein paarmal mit ihm getroffen. Ein paarmal, das war alles. Es ist lange her.«
    »Mein Gott!« Als sie zaghaft seine Schulter berührte, zuckte er zurück. Einen Moment lang starrte er sie an, dann lachte er dünn. »Na ja, das erklärt ja wohl einiges, nicht wahr? Ich meine, das Haus ist ja ziemlich groß für uns beide allein, nicht? Sehr großzügig von Mr. Daubeny. Eine niedrige Miete und so schön einsam gelegen – keine neugierigen Nachbarn, die einen beobachten können. Ich kann mir schon vorstellen, daß Daubeny das gepaßt hat, wenn er auf dich scharf gewesen ist –«
    »Caleb!« wies Betty ihn zurecht.
    »Ich meine – du warst ja schon eine ganze Weile allein, nicht? Da hast du dich wahrscheinlich einsam gefühlt. Und das Bett wird kalt gewesen sein –«
    Sie trat einen Schritt auf ihn zu. Er dachte, sie würde ihm ins Gesicht schlagen, aber sie blieb stehen und schüttelte nur den Kopf. »Du solltest mich nicht richten«, sagte sie leise. »Du hast kein Recht dazu. Du hast nicht erlebt, was ich erlebt habe. Du weißt nichts von den Entscheidungen, vor die ich gestellt wurde, wie schwierig die Wahl –«
    »Die Wahl!« unterbrach er sie. »Genau das ist doch der springende Punkt, Mama. Du warst nicht gerade wählerisch, oder?«
    Sie zuckte zusammen. Er ging von ihr weg. Die Arme auf den Zaun gestützt, blickte er ins dunkle Tal hinaus.
    »Wenn man jung ist«, hörte er sie sagen, »sieht man alles immer nur schwarz oder weiß. Aber so ist das Leben nicht. Die meiste Zeit tappt man im Grau herum und kann nicht erkennen, was gerade das beste wäre. Also tut man einfach das, was man für das beste hält. Und manchmal will man auch gar nicht lange nachdenken.« Ihre Stimme klang traurig. »Manchmal will man einfach vergessen.«
    »Aber ausgerechnet Daubeny! Wie konntest du nur? Dieser aufgeblasene, selbstgerechte – nein, viel schlimmer –« Sein Ton war voller Abscheu.

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