Das Erbe des Vaters
lassen.«
»Hugo! Wie schrecklich! Ich hatte keine Ahnung – das tut mir so leid –« Sie kam sich taktlos vor, als hätte sie unbesonnen von einem Todesfall gesprochen.
Aber er sagte: »Ehrlich gesagt, ich war erleichtert.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Ganz ungemein. Ich war froh, das Haus loszusein.« Er lächelte über ihr Gesicht. »Wirklich.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das kann nicht sein. Es tut mir leid –« Sie errötete. »Ich will Ihnen nicht widersprechen, aber –«
»Ich sage ja auch nicht, daß mir der Entschluß leichtgefallen ist. Wir haben ihn jahrelang vor uns hergeschoben und immer wieder Mittel und Wege gesucht, um das Haus zu erhalten. Aber ich konnte die Instandhaltung nicht bezahlen, und kein Mensch wollte es kaufen. Und der National Trust, der dem Adel Schlösser und Gärten abkauft, um sie zu erhalten und für alle Bürger zugänglich zu machen, wollte es auch nicht haben – die meinten, es sei ja nur hundert Jahre alt und architektonisch uninteressant. Also konnte ich auch kein Museum daraus machen, wie sie das mit Beaulieu und Longleat getan haben. Dieses Kaliber hatte Clarewood nicht. Es war ein netter kleiner Landsitz, weiter nichts. Von der Sorte gibt es reichlich.«
»Swanton Lacy ist nur sechzig Jahre alt«, sagte Evelyn. »Das Originalhaus ist Ende des letzten Jahrhunderts abgebrannt. Es ist nicht mal ein netter kleiner Landsitz.« Als er widersprechen wollte, unterbrach sie ihn. »Wirklich nicht, Hugo. Ich weiß es, Sie brauchen mir nichts vorzumachen. Es ist spätviktorianische Architektur schlimmster Sorte und ziemlich häßlich. Auch wenn Osborne es natürlich liebt. Der Garten dagegen – der Garten ist etwas ganz anderes.« Sie lächelte bei der Erinnerung. »Der Garten war wunderschön.«
»Sie sind wohl eine Gärtnerin? Ja, das kann ich mir vorstellen.«
»Ich liebe den Garten. Es ist traurig zu sehen, was aus ihm geworden ist. Auch wenn diese ganze Geschäftigkeit damals im Krieg, als die Soldaten in Swanton Lacy stationiert waren, natürlich einen Sinn zu haben schien. Mir hat sie zumindest das Gefühl gegeben, daß auch wir unseren Beitrag leisteten. Osborne war nur wütend. Die Soldaten waren so achtlos, wissen Sie. Aber sie waren eben noch sehr jung. Das Haus würde mir keinen Augenblick fehlen, wenn wir es aufgeben müßten, aber den Garten würde ich vermissen.« Sie schwieg, überrascht, sich einem Mann, den sie kaum kannte, so weit geöffnet zu haben. Sie lachte ein wenig. »Aber wir haben natürlich nicht die geringste Absicht, es aufzugeben. So schlimm steht es noch nicht.« Sie wurde wieder rot. »Ach, entschuldigen Sie – das war taktlos von mir – ich …«
»Morwenna und ich bedauern unsere Entscheidung nicht«, sagte er. »Nachdem Clarewood abgerissen war, haben wir den Grund verkauft und konnten uns hier etwas Kleines kaufen. Ich arbeite jetzt in der City, und Morwenna muß sich nicht mehr mit verstopften Rohren und lecken Dächern herumschlagen. Wir haben neu angefangen. Und das war gut so.« Er runzelte die Stirn. »Wir mußten etwas ändern. Sonst wären wir ausgestorben wie die Dinosaurier.«
Osborne war in seinem Arbeitszimmer, als sie nach Hause kaum. »Kate sitzt sicher und wohlbehalten im Zug«, berichtete sie. »Und rate mal, wen ich am Bahnhof getroffen habe! Hugo Longville.«
Auf dem Schreibtisch lag, glatt ausgebreitet und an den vier Ecken beschwert, ein großes Blatt Papier. Osborne sah nicht auf, als sie ins Zimmer kam, sondern blickte stirnrunzelnd zu dem Papier hinunter. »Ich glaube, ich weiß jetzt, wie der Wassergarten ursprünglich angelegt war«, sagte er. »Als die Architekten das Haus wiederaufbauten, legten sie neue unterirdische Wasserleitungen für den neuen Flügel des Hauses. Die Frage ist, ob wir bei dem bleiben sollen, was wir jetzt haben, oder ob ich lieber zum ursprünglichen Entwurf zurückkehren soll. Es ist möglich, daß die Änderungen an einigen unserer Schwierigkeiten schuld sind. Wenn ich hier und da neue Wasserläufe aushebe –« er zeichnete mit dem Finger eine Linie über das Papier –, »läßt sich damit vielleicht verhindern, daß die Bäche im Sommer austrocknen und der See im Winter über die Ufer tritt.«
Zweifelnd sagte sie: »Wird das nicht unheimlich teuer? Wäre es nicht billiger, das zu reparieren, was schon da ist?«
»Ja, billiger wäre es, aber wenn wir den Garten schon wiederherstellen wollen, dann sollten wir es auch richtig tun.«
»Können wir uns das denn
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