Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
Schiffseigner hätten die Liegegebühren nicht bezahlen können. Deshalb hätte dann der Hafenmeister des Thains verfügt, dass die Schiffe in den Außenbecken auf Auslösung durch ihre Besitzer warten sollten, die dann nicht mehr kamen oder das Geld nicht aufbringen konnten, um die Schiffe auszulösen. Später hätten die Soldaten dann noch Planken entfernt, um ihre Kochfeuer zu entfachen, und das Ergebnis sähe man nun dort im Hafen auf Grund liegen. Turgos wollte den Worten nicht glauben. Dies war eine Verschwendung, wie er sie in Schwarzenberg nie erlauben würde. Ein Schiff hatte immerhin einen hohen Anschaffungswert. Wenn der Besitzer dem Thain noch Geld schuldig war, warum verkaufte dieser die Schiffe dann nicht, behielt seine Gebühr ein und zahlte den Überschuss an den Eigner aus? Genau diese Frage stellte Whenda dem Mann. Doch wieder war dessen Antwort nicht befriedigend für Turgos. Er sagte, dass niemand so viel Geld habe, um sich eines der Schiffe leisten zu können. Selbst als sie der Hafenmeister weit unter Wert angeboten hatte, habe niemand sie kaufen wollen. Das mochte aber vielleicht auch daran gelegen haben, dass die Soldaten schon alles gestohlen hatten, was nicht niet- und nagelfest gewesen war, fügte er noch hinzu.
» Die Soldaten des Thains bestehlen ihren Herren?«, fragte Turgos erbost dazwischen. Die Leichtigkeit, mit der der Mann diese harten Worte dahingesagt hatte, schockierte ihn. Der Mann war wegen des Aufbrausens von Turgos nun richtig an den beiden Fremden interessiert. Whenda gefiel dies gar nicht und sie bedachte Turgos mit einem strafenden Blick, den dieser sofort verstand. Er musste sich besser im Griff haben, dachte er.
Wo sie denn herkämen, wollte der Mann nun wissen. Ihm wurde bewusst, dass die Fremden, welche die Gepflogenheiten Meerburgs nicht zu kennen schienen, von einem Ort kommen mussten, an dem Recht und Ordnung noch etwas galten.
»Wir sind Kräutersammler aus Schwarzenberg im Süden«, übernahm Whenda wieder das Gespräch. Dies schien den Mann zu befriedigen.
» Ja, ja, man hört, dass bei euch da unten das Leben besser sein soll als in Lindan. Sind bei euch die Soldaten denn keine Diebe?«, wollte er mit einem Blick auf Turgos nun von Whenda wissen.
» Zumindest lässt unser Baron keine solch schönen Schiffe einfach im Hafen verrotten«, entgegnete sie ihm, ohne auf seine Frage weiter einzugehen. Nun fiel ihr auf, dass auch im Hauptbecken des Hafens nur ein Schiff vor Anker lag. »Es ist nicht viel los bei euch in diesen Tagen«, stellte sie fest und sah zu den leeren Kais.
» Wer sollte denn auch schon zu uns kommen wollen? Die Menschen hier sind arm und kein Händler fährt in eine Stadt voller Bettler, die nichts von ihm kaufen können. Ich selbst weiß gar nicht mehr, wann es das letzte Mal war, als ich ein Silberstück gesehen habe. Arbeit gibt es hier auch keine und so muss ich für meine Familie ein paar Fische fangen gehen, damit wir über die Runden kommen.« Er hielt dabei das Netz etwas höher, das er flickte. »Auch tausche ich meinen Fang dann des Öfteren gegen andere Sachen ein, die wir so brauchen.«
Whenda erkannte, dass von diesem Mann keine Gefahr für sie und Turgos auszugehen schien. Er war ein einfacher Fischer, der nach nichts weiter trachtete, als zu überleben und seiner Familie ein einigermaßen erträgliches Dasein zu sichern.
»Warum verlässt du nicht die Stadt?«, wollte Turgos wissen. Außerhalb der Mauern von Meerburg war es doch sicher einfacher, eine Familie zu ernähren als hier, wo er mit jedem anderen der Bewohner in direkter Konkurrenz um Nahrungsmittel und die Dinge des täglichen Bedarfs stand.
» Ich bin ein eingefleischter Städter, Fremder. Nie wollte ich draußen auf dem Lande leben. Ich fühle mich nur in der Stadt wohl. Mein Weib sagte früher auch oft, dass wir die Stadt verlassen sollten. Doch nie kam dies für mich infrage. Nicht einmal bei der großen Hungersnot im Winter 2506 haben wir die Stadt verlassen. Und wir kamen durch.«
Turgos und Whenda wussten nichts von dieser Hungersnot und ließen es dabei bewenden. »Gibt es keine Schenken hier, in denen man etwas essen kann?«, wollte Whenda noch wissen.
Der Mann lächelte. »Die gibt es, doch würde ich dir nicht empfehlen, sie auch aufzusuchen. Das Essen dort ist schlecht und nur das übelste Gesindel der Stadt verfügt über Geld, um sich dort zu besaufen. Und du als Frau solltest diese Orte sowieso meiden, wenn du nicht bedrängt werden
Weitere Kostenlose Bücher