Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
Valralka nicht zu überprüfen war. Sie wollte jedoch ihren Beratern keine Täuschung im Geiste vorwerfen, diese sprachen redlich und in ihrem Glauben wahr. Auch dies hatte ihre Mutter ihr erklärt. Valralka war nun, wo es an ihr war, die Entscheidungen des Königreiches zu fällen, sehr froh über diese Einsichten. Sie hatte größte Ehrfurcht vor Eilirond und Nerija und unbestreitbar waren sie so alt und weise, wie die Erstgeborenen es immer sein würden. Hier gebot sie ihren Gedanken jedoch Einhalt. Denn auch bei Sharandir gab es Erstgeborene der Anyanar. Diese wollte sie nicht zusammen mit denen Vanafelgars in einem Gedanken zusammenführen. Das wäre ein Frevel gewesen.
Endlich kam der Reiter wieder aus dem Tor herausgeritten. Valralka schätzte, dass er sich nicht länger als eine Viertelstunde im Palast aufgehalten hatte. Das war genau die Zeitspanne, die er brauchte, um den Brief so früh am Morgen zu erhalten. Der Nachfolger von Leinar war sicher noch nicht wach gewesen. Doch ob der Reiter tatsächlich der Bote war, wusste sie nicht. Es konnte durchaus sein, dass ihr Brief schon lange auf dem Weg in die Thainlande war. Der Bote konnte ebenso gut zu einer Zeit eingetroffen sein, in der sie nicht an ihrem Fenster verweilte. Dann hätte sie nichts von seiner Ankunft und Abreise mitbekommen.
Wenn sie so eine geheime Mission noch einmal zu bewerkstelligen hätte, würde sie Othmar damit beauftragen. Nun, da sie ihn näher kannte, hatte sie sehr viel Vertrauen zu ihm gefasst. Der Zwerg stand zwar in der Hierarchie Maladans über Nerija und Eilirond und den Verwaltern der Lehen. Doch nie hatte er auf diese Rangfolge gepocht oder jemanden daran erinnert. Valralka konnte aber immer spüren, wie Eilirond und Nerija einer Konfrontation mit ihm aus dem Wege gingen. Oft gaben sie klein bei, wenn der Zwerg sich, was er sehr selten tat, zu Wort meldete. Othmar, so wusste sie heute, hätte nicht einmal danach gefragt, was in dem Brief stand, wenn sie ihn mit dem Auftrag betraut hätte.
Valralka begann nun, sich ihre Kleidung für den heutigen Tag auszuwählen. Bald wollte sie frühstücken. Nachdem sie die Kleider ausgewählt hatte, begab sie sich in ihr Badezimmer und ging an das goldene Waschbecken, auf dessen Rand noch immer die Haarbürste ihrer Mutter lag. Nerija war am gestrigen Tage sehr geheimnisvoll gewesen und hatte Valralka gesagt, dass es heute für sie die Pflicht der Könige aus dem Hause der Vanäer zu erfüllen gälte. Als Valralka gefragt hatte, was die Kanzlerin damit meinte, hatte diese nur verschwörerisch gelächelt und nichts verraten. Das sei ihr verboten, hatte sie behauptet. Am gestrigen Abend war Valralka zu müde gewesen, um weitere Fragen zu stellen. Bald würde sie sowieso erfahren, um was es Nerija ging. Gleich nach dem Frühstück wollte die Kanzlerin ihr ihre Aufwartung machen.
Der Mahner der Könige
Tharvanäa, 28. Tag des 12. Monats 2514
Als Valralka nach ihrem Frühstück, das sie immer alleine in ihren Gemächern einnahm, zum Thronsaal hinunterging, um sich wie verabredet mit der Kanzlerin zu treffen, war sie etwas verwundert. Normalerweise war um diese Zeit schon viel Leben im Palast und eine große Zahl von königlichen Beamten war auf den Fluren und Gängen vor den Amtszimmern, die auf dem Weg zum Thronsaal lagen, unterwegs. Doch an diesem Morgen war niemand zu sehen und auch aus den Amtszimmern waren keine Geräusche zu vernehmen. Sie stellte auch fest, dass die königlichen Wachen nur in halber Zahl auf den Gängen ihren Dienst taten. Vor der großen Türe zum Thronsaal, die sie nun erreichte, waren sie dagegen verdoppelt worden. Dass dies von Nerija angeordnet worden war, erkannte die Königin sofort. Niemand außer ihr und Eilirond würde es wagen, den Wachplan eigenmächtig zu ändern, ohne die Königin darüber zu informieren. Da Eilirond auf einer Inspektionsreise zum Holg war, konnte nur die Kanzlerin die entsprechenden Anordnungen getroffen haben. Valralkas Neugierde stieg. Sie verdrängte die Gedanken an ihr Frühstück. Sie nahm diese Mahlzeit nur deshalb alleine zu sich, um ihrer Eltern zu gedenken. Als diese noch am Leben gewesen waren, war das auch die einzige Zeit des Tages gewesen, welche sie immer uneingeschränkt gemeinsam verbracht hatten. Ihr Vater hatte nicht zugelassen, dass er vor oder während des Frühstücks mit seiner Familie gestört wurde.
Die Wachen vor dem Thronsaal salutierten der Königin, indem sie Haltung annahmen und ihre Speere,
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