Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
Gefangenen unter ihrem Volk.
Anaron, auch dieser Name war oft in den Verhören gefallen. Valralka wusste von Nerija, wer dieser einst gewesen war, bevor er dem dunklen König diente.
Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als sie einen einzelnen Reiter über die Kraterbrücke kommen sah. Eben ging die Sonne auf, ein neuer Tag begann. Ihn überschatteten, zumindest am frühen Morgen, noch keine dunklen Wolken wie die Tage zuvor. Der Reiter hatte nun das Tor zum Schloss erreicht und die Brücke überquert, denn Valralka konnte ihn nicht mehr sehen. Doch sie hoffte darauf, dass es der Bote war, dessen Ankunft sie sehnlichst erwartete. Sie hatte einen Brief an Tankrond geschrieben und da sie nicht wollte, dass jemand davon erfuhr, hatte sie Leinar, einen Leutnant aus ihrer Leibwache , beauftragt, dass dessen Bruder, der ein Schiff besaß und oft in den Thainlanden Handel trieb, auf einer seiner Fahrten einen Brief für sie zu Tankrond mitnehmen sollte. Leinar musste ihr schwören, dass niemand davon erfahren durfte, wem sie schrieb – noch, von wem der Brief eigentlich stammte. Leinar war jedoch inzwischen ins Haig abkommandiert worden. Aber er hatte seinem Bruder noch Nachricht gesandt, dass dieser einen Boten nach Tharvanäa senden solle, dem der Nachfolger Leinars im Wachregiment etwas übergeben würde. Was dieser erhielt, sollte er zu Leinars Bruder Elingir bringen, denn nur diesem war der Adressat des Schreibens bekannt. Der Nachfolger Leinars wusste nicht, dass es ein Brief der Königin war, den er für den Boten aufbewahrte. Angespannt schaute Valralka hinunter zur Brücke. Sollte dies jener Bote sein, den der Bruder Leinars gesandt hatte, dann würde er auch bald wieder davonreiten und ihre Nachricht an Tankrond wäre endlich auf dem Weg zu ihm. Sie wusste, nicht wie lange der Brief unterwegs sein würde. Der Weg, den Elingirs Schiff in die Thainlande nahm, konnte auch über den Norden führen. Dann würde es bestimmt länger als ein Jahr dauern, bis Tankrond ihn erhielt. Valralka wusste, dass kein Händler mit einem leeren Schiffsbauch einen Hafen verließ. Lieber wartete er darauf, dass sich eine Ladung oder ein Personentransport ergab. Sollte Elingir jedoch die Südroute wählen, dann würde Tankrond den Brief in ein paar Monaten erhalten. Valralka hatte Elingir über seinen Bruder auch ein fürstliches Entgelt zukommen lassen, damit der Brief rasch und sicher befördert wurde. 3 Malaner hatte sie ihm gegeben. Das war wahrlich eine gewaltige Summe, nur um einen Brief zu befördern. Ein Malaner entsprach 100 Silbermünzen und war aus dem reinsten Gold, das das Weiße Gebirge zu bieten hatte. Seit einst in Ilvalerien das Münzgeld eingeführt worden war, war es nicht mehr aus dem Handel der Völker wegzudenken. Schon damals war der Tauschhandel zu schwierig geworden. Die Gegenwerte der Tauschwaren waren oft so unterschiedlich, wie sie es nur sein konnten. Und wer einmal versucht hatte, Eier gegen zwei große Halbmann-Krüge mit Harzessenz aus den Birken von Venor einzutauschen, der wusste, dass kein Händler in der Lage war, solch viele Eier unbeschadet und auch unverdorben bis nach Venor zu transportieren, um sie dort gegen das Harz einzutauschen. Othmar hatte Valralka erzählt, dass einst in Ilvalerien das Gold und Silber der Münzen den Wohlstand entscheidend gefördert hatten. Denn auch sein Volk übte sich damals im Handel und war gerne gesehen in den Städten des Südens. Heute jedoch hatte nur noch das Geld der Könige von Maladan und der Varia-Velul einen Wert. Die Münzen Fengols waren der Versuchung erlegen, das Gold und Silber zu strecken und mit unreineren Metallen zu vermischen. Es dauerte nicht lange und jeder wusste davon. So nahm dann auch niemand mehr deren Geldstücke als Gegenwert für eine Ware entgegen. Wenn Valralka darüber nachdachte, kam sie zu dem Schluss, dass Othmar ihr die vielen Dinge, die es in der Welt und aus der Geschichte der Völker heraus zu wissen gab, am besten vermittelte. Der alte Zwerg vermochte sehr gut zu unterscheiden, was für die Königin von Interesse sein mochte und was nicht. Und in den kurzen, jedoch sehr überlegten und treffenden Sätzen, die er sprach, kam er schnell auf das zu sprechen, was den Sinn einer Sache ausmachte. Eilirond und Nerija konnten zwar auch die Dinge gut erklären, doch hatten sie nicht die Distanz zu ihren Erklärungen wie Othmar. Oft ergingen sie sich darin, ihre Meinungen zu schnell zu Fakten zu erheben, deren Wahrheitsgehalt für
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