Das Erbe Ilvaleriens (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
ausgesprochen.
Er sah zu der Esul-Anyanar hinüber, wie sie in der stattlichen Haltung, die ihrem Volk zu eigen sein schien, mit den Schmieden sprach und sich einige Dinge erklären ließ. War er etwa schon zu weit gegangen, musste er sich fragen? Denn eigentlich hatte er sich noch nicht endgültig dafür entschieden, Krieg gegen seine Nachbarn zu führen. Immer mehr kam es ihm nun jedoch so vor, als ob alles unweigerlich darauf zulief. Auch seine eigenen Männer, die von den Plänen Whendas noch nichts wussten, verhielten sich auf einmal sehr kriegerisch und waren voller Tatendrang. Er hätte dies vielleicht niemals zulassen dürfen. Er hätte die Frau, ihre Soldaten und Handwerker einfach wieder fortschicken sollen. Seine Vorfahren hatten Schwarzenberg zu dem gemacht, was es heute war. Er sollte deren Werk einfach weiterführen und nicht in Kriege ziehen, in denen es nur Ruhm für die Anführer gab. Doch für die Soldaten, Bürger und die kleinen Leute in der Stadt bedeutete sein Ruhm nur Kummer und Tod.
Whenda, die mit einem Mal sah, dass der Baron in trübe Gedanken gefallen war, verabschiedete sich von den Handwerkern und ging sofort zu ihm. »Nun Baron, was bedrückt dich hier an diesem Orte des Schweißes?«
Doch Turgos behielt seine Meinung für sich. Er wusste, dass er sich bald entscheiden müsste. Whenda fragte nicht weiter, als sie keine Antwort erhielt. Turgos ärgerte sich darüber, dass, immer wenn sie in seine Nähe kam, alle Bedenken wie ausgelöscht erschienen.
»Wir sollten zu den Bogenschützen gehen und ihre Ausbildungsfortschritte begutachten«, meinte sie. Da ihr Turgos nicht antwortete, gab sie sich einfach so, als ob er ihr zugestimmt hätte, und ging mit ihm sprechend langsam davon. So gebot es Turgos’ Höflichkeit, dass er ihr folgte. Beim Hinausgehen ärgerte er sich jedoch sehr darüber, dass es ihr wieder einmal gelungen war, den Moment seines Bedenkens zu zerstreuen. Immer wenn sie sah, dass trübe Gedanken hinter seiner Stirn aufkamen, handelte Whenda dagegen, indem sie einfach das Thema wechselte. Sie wusste, dass dies nicht mehr lange möglich war, aber sie wollte diese leidige Auseinandersetzung so lange es ging hinausschieben. Jeder Tag, an dem diese nicht stattfand, brachte sie ihrem Ziel einen Schritt näher. Bevor sie abreisten, wollte sie nur noch eines erreichen: Der Baron sollte die neuen Aushebungen und das weitere Anwerben von Soldaten anordnen. Diese auszubilden würden ihre eigenen Leute dann schon übernehmen.
Seit sie wieder die Lande des alten Reiches von Fengol auf Vanafelgar betreten hatte, war sie von ihrer Mission so eingenommen, dass sie alles getan hätte, um ihr Ziel zu erreichen. Manches Mal fühlte sie sich gar wie in jenen Tagen, als der Fürst von Fengol noch unter ihnen weilte. Ja, sie glaubte sogar, dessen Präsenz hier in Schwarzenberg zu verspüren. Doch wusste sie, dass es nur ein Trugschluss war, geboren aus den langen Jahren der Tatenlosigkeit in Maladan. Die Könige dort hatten ihr immer verboten, an den Kämpfen im Haig teilzunehmen. Immer wurden sie bei dieser Entscheidung von dem Gedanken geleitet, dass einst der Fürst von Fengol wieder erscheinen würde. Diesem hätte sie dann zur Seite zu stehen. Doch das war nie geschehen und Whenda hatte auch nicht mehr daran geglaubt, dass sich Fengol je wieder erheben könnte, bis zu jenem Tage, als sie in Schwarzenberg von Bord ging. Dort im Hafen war auf einmal das Gefühl sehr stark gewesen, dass sie etwas bewirken konnte. Seither hatte es nur gelegentlich etwas nachgelassen, doch ihre Zuversicht war größer denn je.
Erst hier in Schwarzenberg erlaubte sie sich auch, an das Vergangene zu denken, was ihr einst lieb und teuer gewesen war. Schon oft hatte sie Thirun, ihren Gatten, in ihren Träumen gesehen. Er war damals bei der Schlacht von Fengol im alten Ilvalerien zu Tode gekommen. Noch heute sah sie vor sich, wie Ura die Schwarze vom Palast aus über die brennende Stadt schaute. Damals hatte es so ausgesehen, als wäre Fengol, die herrliche Stadt der Türme, für immer verloren. Doch mit dem Morgen war auch der Sieg gekommen. Das Eintreffen Akinajas mit ihren Truppen hatte die Entscheidung gebracht. Viele Sonnenjahre herrschte danach wieder Frieden. In der Stadt selbst wurden die Spuren des Krieges schneller getilgt, als es sich jemand vorstellen konnte. Alle Dächer, die die Varakuul mit ihrem feurigen Atem versengt hatten, wurden neu aufgebracht. Viele meinten damals, dass die Stadt hernach
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