Das Erbe in den Highlands
Albtraum geweckt hatte, aber was erwartete er denn? Dass sie auf der Stelle mit ihm ins Bett hüpfen würde? Je mehr sie sich vorgestellt hatte, mit ihm zu schlafen, desto nervöser war sie geworden. Ihre Hochzeit war der reinste Witz gewesen. Ihre Lippen waren vor Anspannung so verkrampft, dass sie kaum ein verständliches »Ja« herausgebracht hatte. Und dann letzte Nacht! Sie hatte das Gefühl, dass ihr Zusammenbruch nicht so ganz dem entsprach, was Kendrick sich unter seiner Hochzeitsnacht vorgestellt hatte. Ihrer Idealvorstellung entsprach diese Nacht ebenfalls nicht. Wenn sie nur ein bisschen mehr Zeit gehabt hätten, bloß ein paar Tage, um neu zu beginnen und einander kennenzulernen wie normale Menschen, sich mit verstohlenen Berührungen und Küssen näherzukommen, statt lediglich einiger über ihre Köpfe hinweg gesprochenen Worte und dann sofortige Vereinigung ... Unglücklicherweise war ihnen diese Zeit nicht vergönnt gewesen. Genevieve musste sich einfach zusammenreißen und aufhören, sich wie ein Kind zu benehmen. Sie war eine verheiratete Frau, Himmel noch mal. Sie liebte Kendrick. Mit ihm zu schlafen, würde wunderbar sein.
Und dann war ihr noch eine andere, verblüffende Erkenntnis bewusst geworden, die eingesetzt hatte, als sie geglaubt hatte, Kendrick habe sich wieder in ein Gespenst verwandelt.
Ihr Traum war ihr gar nicht genommen worden. Er hatte sich erfüllt. Kendrick, der Ritter ihrer Träume, war zu Fleisch und Blut geworden. Und zum ersten Mal seit der Verwandlung hätte sie nicht glücklicher darüber sein können.
Sie wollte, dass er es erfuhr. Augenblicklich. Sie erhob sich vom Schreibtisch, winkte seiner Familie zu und verließ das Arbeitszimmer. Vielleicht war er unten in der Küche und machte sich etwas zu essen. Wenn es eines gab, was dieser Mann konnte, dann war es essen.
Die Küche war leer. Genau wie der Rittersaal. Genevieve spürte, wie ihre Handflächen feucht wurden. Es konnte doch nicht sein, dass ihm etwas passiert war. Oh, nicht jetzt, nachdem sie zur Vernunft gekommen war, nicht nachdem sie erkannt hatte, wie sehr sie ihn liebte.
Sie sah in den anderen Schlafzimmern nach. Nichts. Sie überprüfte sogar die Tür unten, die sie nach wie vor nicht öffnen konnte. Im Rittersaal gab es noch eine Tür, die in einen Raum führte, in dem sie nur einmal gewesen war, ein kleinerer Raum, fast wie ein Familienzimmer. Die Tür war seit vor Weihnachten verschlossen, und Genevieve hatte alle möglichen hämmernden Geräusche dahinter vernommen, meistens bei Nacht. Kendrick zu bewegen, Einzelheiten preiszugeben, war noch schwieriger gewesen als Worthington. Sie hämmerte an die Tür und rief Kendricks Namen.
Keine Antwort.
Also gut, das war nicht mehr komisch. Sie lief zur Vordertür, öffnete sie und rannte die Stufen hinunter. Draußen war es bitterkalt, aber das störte sie nicht. Sie lief zum Stall. Nichts als Pferde. Nicht mal der Pferdeknecht war da, um ihre Fragen zu beantworten. Sie setzte sich auf einen Heuballen und dachte daran, zu weinen. Das hätte sie auch getan, wenn sie nicht so verärgert gewesen wäre. Es war unmöglich! Hatte sie Kendrick nur lange genug gehabt, ihn zu heiraten, ihn für eine Nacht von sich zu schubsen und ihn dann zu verlieren?
Das konnte sie nicht glauben. Es musste eine andere Erklärung geben. Vielleicht war er aus irgendeinem Grund ins Dorf gegangen. Wahrscheinlich hatte er ihr eine Nachricht hinterlassen, und sie war zu verstört gewesen, sie zu finden.
Als sie in die Halle zurückkam, klingelte das Telefon. Sie rannte in die Küche und griff nach dem Schnurlosen auf der Arbeitsplatte. Die Ladestation war da, aber das Mobilteil fehlte. Sie folgte dem Klingelton durch die Küche in die Vorratskammer. Auf den Regalen waren nur Lebensmittel.
Aha! Sie schob ihre Hand unter einen Stapel gefalteter Handtücher und zog das Mobilteil heraus.
»Hallo?«, sagte sie atemlos.
»Ähm, Lady Seakirk, hier ist Johnny. Am Außentor?«
Gevevieves Brust wurde eng. Na toll. Weitere Schurken vor den Toren.
»Ja? Was ist?«
»Mylady, Sie werden es bestimmt nicht glauben ...«
Prima. Diesmal vielleicht eine ganze Wagenladung. Sollte sie lieber die weiße Flagge hissen?
»Aber hier am Tor ist ein Mann auf einem Pferd.«
Einem Pferd?
»Einem Pferd?«, wiederholte sie.
»Aye, Mylady. Und in voller Rüstung.«
Genevieve legte die Hand auf die Brust; ihr Herz klopfte wie wild. »Nun, warum fragst du ihn dann nicht, wer er ist?«
Johnny bedeckte das
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