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Das Erbstueck

Das Erbstueck

Titel: Das Erbstueck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne B Ragde
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kann die Bühne nicht aufgeben. Nächstes Jahr, wenn ich ... wenn das Kind da ist ...«
    »Natürlich nicht. Du bist Schauspielerin, die Bühne ist deine Welt«, flüsterte er und unterdrückte den Drang, an ihrem Ohrläppchen zu lecken.
    »Ich bin Künstlerin, Mogens. Mit einem Künstlerinnengemüt. Und deshalb sehe ich, dass du ein guter Mann bist, ein lieber Mann, und deshalb lege ich mein Leben in deine Hände.«

    Sie hatte die Angewohnheit, recht häufig zu weinen. Und zwar jedes Mal, wenn sie zusammen waren. Sie behauptete, das Weinen habe nichts mit der Erinnerung an den Vater des Kindes zu tun, sondern liege nur an der Schwangerschaft. An dem Tag, an dem sie im Theater gekündigt hatte, weil sie heiraten und ein Kind bekommen würde, weinte sie den ganzen Abend ununterbrochen. Sie trank Wein, und er bat sie, nicht zu übertreiben. Sie sollte an das Kind denken. Und sie weinte noch mehr. Sie verfluchte Fräulein Ryge, was das Zeug hielt, dieses Weibsstück, das die Rolle übernehmen würde. »Das Matrosenkleid steht ihr, Mogens, und so eine kann einfach keine Lola sein.«

    Er gab ihr Recht, egal was sie sagte. Nickte, wischte ihr die Tränen ab, hob alles auf, was ihr zu Boden fiel.

    In der Porzellanfabrik wollten sie ihm nicht glauben. Carl-Peter nannte ihn ganz offen einen Lügner. Adam Poulsens Bruder jedoch war Bühnenbildner im Betty-Nansen-Theater, und da war der Blaumaler, der den Engel gekapert hatte, in aller Munde.
    Poulsen kam gratulieren, und Carl-Peter kippte das Kinn auf Tischhöhe hinunter.
    »Sie erhalten natürlich die vorgeschriebene Lohnerhöhung«, sagte Poulsen. »Und ein Essservice in geriffelter Muschel, ein Geschenk der Fabrik. Für sechs. Oder Blaue Blume, wenn Ihnen das lieber ist.«
    »Vielen Dank, Herr Poulsen. Vielen Dank. Aber ich glaube, meine Verlobte würde Muschel vorziehen. Wo ich das doch selber male.«
    »Gut. Dann ist das abgemacht. Und noch einmal – herzlichen Glückwunsch, Herr Thygesen. Sie ist ja ein reizendes Mädchen, das habe ich in den Zeitungen gesehen.«

    Aber das reizende Mädchen wollte nicht mit ihm ins Bett. Sie erklärte, sie könne diese Vorstellung nicht ertragen, weil in ihr schon ein Mensch war. Damit gab er sich zufrieden. Sie gehörte ihm doch, er durfte sie küssen und in die Arme nehmen. Er steckte seine Ersparnisse als Eigenkapital in ein Baudarlehen. Das Haus lag in der Neubausiedlung in Amager, gleich beim Fort Kastrup, das jetzt als Park geöffnet worden war. Gleichzeitig war Sand zu einem Strand hochgepumpt worden. Amager könnte zu einer wunderschönen Wohngegend werden, und die Preise waren günstig.

    Vorläufig hausten sie noch in ihren möblierten Zimmern. In den drei Wochen vor der standesamtlichen Trauung. Er wusste nicht immer, was sie abends unternahm. Ab und zu wollte sie sich mit
Bekannten treffen, aber er machte sich keine Sorgen. Sie hatte alle Papiere unterzeichnet, die nötig waren, um die Eheschließung in die Wege zu leiten. Sie hatte sich mit ihm das Haus angesehen und es für perfekt erklärt. Sie hatte ihm bei der Auswahl einiger Möbel geholfen. Ein paar hatten sie neu gekauft, die anderen stammten aus allerlei Nachlässen, die in den Zeitungen angekündigt gewesen waren. Und sie sagte, sie freue sich darauf, mit dem Kind an den Strand zu gehen. Aber sie hatte keine Ahnung davon, wie Vorhänge genäht wurden oder wie viele Handtücher und Kochtöpfe ein Haushalt benötigte, und Mogens suchte allein alles aus, was seiner Ansicht nach in einer Küche und zur Bewirtung von Gästen benötigt wurde. Ein Essservice hatten sie glücklicherweise ja schon. Aber sie behauptete, gut kochen und waschen zu können.
    »Das habe ich als Kind gelernt. Obwohl es mir nie besonderen Spaß gemacht hat. Vielleicht habe ich ja auch ein bisschen davon vergessen.«

    Sie heirateten an einem Freitag zu Anfang November. Es goss in Strömen. Ihr Bauch wölbte sich sichtlich unter einer rosa Seidenbluse über einem viel zu engen Rock. Ihr Schleier war weiß. Darauf hatte sie bestanden. Er hatte ihre Bekannten vorher nur kurz getroffen, Tutt und Erik. Die beiden gefielen ihm. Auch ein Onkel von Malie fand sich ein, mit einer üppigen Frau. Malie stellte ihren Onkel Dreas vor, der endlich seine Nichte wiedergefunden hatte. Die Gattin hieß Oda. Sie waren Menschen vom Lande, munter und kinderlos. Oda war Kaltmamsell im Café Takstgrensen. Der Onkel arbeitete wegen seines Rückens nicht mehr. Malie weigerte sich, über ihre Eltern zu sprechen. Sie

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