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Das Erlkönig-Manöver

Das Erlkönig-Manöver

Titel: Das Erlkönig-Manöver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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anderen an, und sie ließen alsbald ihre Speisen beiseite, um sich ganz auf seinen Vortrag zu konzentrieren.
    »Wie wir von den Nationalgardisten wissen«, hob Schiller an, »ist es der Auftrag des Präfekten, mit Hilfe der ehrenwerten Madame de Rambaud herauszufinden, ob es sich bei dem Gefangenen tatsächlich um den Sohn des Königs handelt oder nur um einen Defraudanten. Aus den Aussagen der Soldaten habe ich erschlossen, dass er Mainz in keinem Fall verlassen darf: Sollte es ein Betrüger sein, ist der Präfekt angewiesen, über ihn das höchste Strafmaß zu sprechen und ihn so lange wie möglich im Verlies des hiesigen Zuchthauses zu behalten. Ist es aber der Dauphin – so geht es aus diesem Dokument hervor, welches sich am Leib des toten Lieutenants befand –, so ist er unverzüglich und insgeheim von der Garde hinzurichten und seine Leiche ebenso unverzüglich und insgeheim nach Paris zu schaffen. Die Quintessenz des Vorigen ist, dass wir Louis nicht lebend aus Mainz fortschaffen können. Sollten wir es dennoch wagen, riskieren wir in hohem Maße, dass der Präfekt, welcher, so steht zu vermuten, die gleichen Informationen besitzt wie wir, Misstrauen schöpft und uns festsetzt und unsre dünne Tarnung, die sich lediglich auf diese fränkischen Kleider beschränkt, durchschaut.«
    »Also?«, fragte Kleist.
    »Also bleibt uns nichts anderes, als den Dauphin zu erschießen « – bei diesem Wort hob Schiller zwei Finger jeder Hand und machte damit eine Bewegung, als würde er die Luft vor sich kratzen –, »um seine Leiche « – hier wiederholte er die Geste – »aus der Stadt zu schaffen.«
    »Was bedeuten diese Gebärden?«, fragte Arnim und wiederholte dabei Schillers seltsame Geste.
    »Das waren Anführungszeichen, die aufzeigen sollten, dass ich die Wörter erschießen und Leiche mit Ironie äu ßerte.«
    »Romantische Ironie?«
    »Nein … handelsübliche Ironie, wenn Sie so wollen. Denn ich habe mitnichten vor, Louis zu erschießen. Hören Sie weiter: Seine Gegenüberstellung mit seiner ehemaligen Amme, dargestellt von der werten Mamsell Brentano, soll im Deutschhaus stattfinden. Bettine wird den Gefangenen prüfen und dabei die Merkmale finden, die uns Madame de Rambaud freundlicherweise genannt hat. Darauf ist Louis’ Todesurteil gesprochen. Wir, als Nationalgardisten verkleidet, werden ihn vor die nächste Mauer zerren und dort vor den Augen des Präfekten aus vier Läufen gleichzeitig erschießen. Allein, in unsern Musketen wird kein Blei sein, sondern nur Pulver und Papier, das zwar lärmt und blitzt, aber keinen Schaden macht. Louis geht dennoch wie getroffen zu Boden und tut, als würde er seine Seele aushauchen. Einer von uns stellt seinen Tod fest, und ehe es einer der hiesigen Soldaten überprüfen kann, heben wir seine lebendige Leiche in einen mitgeführten Sarg und den Sarg in die Kutsche. Mit dieser Fracht verlassen wir Mainz noch in derselben Stunde, um, wo auch immer sich der nächste Nachen für uns findet, über den Rhein zu setzen. Und zurück in Deutschland, sprengen wir den Sargdeckel auf und hel fen dem quicklebendigen Prinzen in die Freiheit. Ein falscher Tod wie in Romeo und Julia .«
    »Dieses Stück halte ich für ein schlechtes Vorbild«, meinte Bettine, »denn dort geht der Plan ja gerade nicht auf, und alle sterben.«
    Schiller wischte den Einwand beiseite und setzte seine Ausführungen fort: »Das Treffen sollten wir für den Abend arrangieren, sodass die Dunkelheit sowohl unsre Flucht schützt als auch die Überprüfung des erschossenen Dauphins durch andere erschwert. Fernerhin ist es unbedingt notwendig, dass wir den Gefangenen noch vor der Zusammenkunft von unsern Plänen in Kenntnis setzen und davon, dass wir ihm gut sind. – Der Entwurf ist teuflisch, aber wahrlich – göttlich!«
    Wiewohl niemand Schillers Enthusiasmus so von Herzen teilte, wurde sein Plan doch von allen angenommen. Goethe, der der Generalvollmacht Fouchés große Wirkung zubilligte, riet dazu, Mainz gleich über die Brücke nach Kastel zu verlassen, um eventuellen Nachstellungen so schnell wie möglich zu entgehen. Kleist erbot sich, die falschen Kugeln für die trügerische Hinrichtung anzufertigen.
    Einzig Arnim tat Kritik kund: »Mir erscheint diese Methode nicht ungefährlich «, sagte er und versah dabei das letzte Wort mit der Schiller’schen Geste.
    »Das ist sie auch nicht, Herr von Arnim«, räumte Schiller ein, »und wenn es eine bessre gibt, so freute ich mich, wenn sie jemand von

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