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Das Erlkönig-Manöver

Das Erlkönig-Manöver

Titel: Das Erlkönig-Manöver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Löhr
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nicht.«
    »Hölle und Teufel!«, fluchte Goethe. »Sie lag noch auf dem Sekretär; mich dünkte, Sie hätten –«
    »Dann schießen wir uns den Weg frei!«, rief Kleist.
    »Possen! Einer muss zurück, das Schreiben holen. Ohne sind wir aufgeschmissen.«
    »Ich gehe«, sagte Arnim.
    »Sie?«, fragte Goethe und gleichzeitig Bettine: »Du?«
    »Ich fiel mit dem Ingolstädter und den Papieren zu Boden. Ich weiß am ehesten, wo sich das Dokument befindet.«
    »Famos! Das nenn ich Mark in den Knochen haben. Viel Glück, Herr von A. Wir warten auf der rheinwärti gen Seite des Palais auf Sie!«
    Ein Blick noch auf Bettine, dann stieg Arnim, während die anderen das Deutschhaus verließen und auf den Hof traten, wieder die Treppen hinauf zum Bureau des Präfekten.
    Dort fand er den Raum in der Unordnung vor, in der sie ihn verlassen hatten. Die beiden Gefesselten hatten bislang erfolglos versucht, sich zu befreien oder auf sich aufmerksam zu machen. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck, als Arnim zurückkehrte, als fürchteten sie, er würde an ihnen beenden, was seine Kameraden begonnen hatten. Arnim durchquerte das Bureau und suchte auf dem Parkett hinter dem Sekretär nach Fouchés Brief. Während er die Papiere durchblätterte, hörte er, wie in der Gasse unter dem Fenster die Kutsche vorfuhr. Schließlich entdeckte er das Dokument. Er richtete sich auf. Vor ihm, auf der anderen Seite des Sekretärs, stand Capitaine Santing, die Pistole auf ihn gerichtet, das tintenschwarze Antlitz von Zorn zerfurcht.
    »Wer seid ihr Hundsfötter?«, fragte er auf Deutsch. Er war noch immer benommen und musste sich mit einer Hand auf dem Tisch abstützen.
    Arnim antwortete nicht.
    »Her mit dem Schrieb!«
    Arnim tat nichts. Draußen im Dunkel schlugen leise die Hufe der Pferde auf dem Pflaster.
    »Her mit dem Schrieb!«
    Arnim sah auf das Dokument in seiner Hand.
    »Her mit dem Schrieb, Rabenaas, oder wünschst du den Tod?«
    »Nur er vollendet das Ganze«, sagte Arnim endlich, faltete ruhig den Brief und steckte ihn in seine Weste. Dann drehte er dem Capitaine den Rücken zu und sprang durchs geschlossene Fenster.
    Die Kugel traf ihn noch im Sprung. In einer Wolke von Scherben durchbrach Arnim die Scheiben und fiel zwei Geschosse tief. Er schlug ins Dach der Kutsche ein wie ein Fels, bis endlich die Bank seinen Fall bremste. Der Dauphin, der gegenübersaß, schrie vor Schreck laut auf.
    Als Capitaine Santing, nun mit der Pistole seines Adjutanten bewaffnet, durch das zerborstene Fenster sah, grüßte ihn zuerst ein Bolzen von Schillers Armbrust. Santing wich zurück, und der Bolzen zerschlug eine Scheibe, die noch heil geblieben war. Nun knallte Schiller auf dem Kutschbock mit den Zügeln, und die Pferde galoppierten davon. Humboldt, Goethe, Kleist und Bettine folgten auf ihren Pferden. Santing sparte sein Pulver und rannte zum Treppenhaus.
    In engen Gassen ging es für die Gefährten nun voran zum Ausgang aus diesem Mainzer Labyrinth. Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht, trabten die Rosse voran, und Schiller blieb nicht anderes, als mutig gefasst die Zügel festzuhalten und, bald rechts, bald links, von den Häusern hier, von der Stadtmauer da, die Räder wegzulenken. Die Federn der Kutsche ächzten unter der Last. Aus einem Rad brach eine Speiche heraus. Das Gestell eines Gerbers riss die Kutsche in ihrer Fahrt um, und mehr als ein Bürger hatte ein Fluchwort auf die rücksichtslosen Franken auf den Lippen.
    Als Kleist zum Fenster der demolierten Kutsche hi neinsah, fingerte Arnim, der noch immer nicht zu einer aufrechten Haltung gefunden hatte, mit zittrigen Händen die Vollmacht aus der Weste und überreichte sie ihm. Kleist ritt an Goethe heran und gab sie diesem.
    »Wie steht es um Achim?«, rief Bettine.
    »Lebt, der Teufelskerl! Die Katze, die so stürzt, verreckt; er nicht!«
    »Drosselt eure Gäule, hier kommt das Rote Tor.«
    Die Gefährten leisteten Goethes Anweisung Folge, und in gemächlich-unverdächtigem Trab näherte sich die Gruppe dem Roten Tor. In aller Ruhe grüßte Goethe den Hauptmann der Wache und überreichte ihm das Schreiben. Der Hauptmann las es im Licht seiner Laternen und beäugte die atemlosen Gardisten, insbesondere aber die reitende Bettine und das zerknickte Dach der Kutsche skeptisch, stellte aber keine Fragen. Dann winkte er die Mannschaft hindurch. Brückenzoll mussten sie in der Uniform des Kaisers nicht zahlen.
    Sie folgten Kleist, der den Weg kannte, durch die verlassenen Lagerhäuser und

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