Das Erlkönig-Manöver
ein Fuchsschwanz hinten herabhing, und beschwor, dass sie sich dergestalt ausgestattet nicht nur in der deutschen, sondern auch in der amerikanischen Wildnis bewähren würde. Beim Abschied wollte der dankerfüllte Händler den Gefährten mannigfaltigen Tand zur Prämie draufgeben, aber Schiller lehnte dankend ab und bat ihn lediglich um Verschwiegenheit.
Am Abend lag der riesige Kyffhäuser im Dämmerlicht vor ihnen auf dem Abendnebel des Tals wie ein schwarzer Kater, der sich zum Schlaf auf einer weißen Decke zusammengerollt hatte. Niedriger war dies Gebirge als der Hunsrück und viel kleiner als der Thüringer Wald und dennoch beklemmender als beide; ein öder, abweisender Höhenzug, der den Menschen nur zu seinen Füßen duldete. Die sieben Wanderer hielten inne und betrachteten den Berg. Obschon sie es in jener Stunde nicht ahnen konnten, war dies der Ort, der für die nächsten vierundzwanzig Tage ihre Zuflucht und ihre Heimstatt sein würde und von dem sie nicht gehen würden, wie sie kamen. Niemand sprach, aber mancher schauderte und schrieb es der Abendkälte zu.
Eine Schar Rabenvögel flog in einiger Höhe über ihren Köpfen hinweg zum Kyffhäuser, und die Gefährten folgten ihr.
8
KYFFHÄUSER
Mit dem Rüssel durchwühlte das Wildschwein den Boden auf der Suche nach seinem morgendlichen Mahl. Als es einige Eicheln vom Vorjahr gefunden hatte und den Kopf hob, um sich kauend umzusehen, löste Bettine den Abzug der Armbrust. Der Bolzen schoss dem Tier in den Kopf und blieb hinter dem Ohr stecken. Ein Zucken durchfuhr den Körper des Keilers, und er quiekte auf. Benommen sah er sich um, aber so wild er auch mit den Augen rollte, der Bolzen war für ihn nicht zu sehen; also rannte er einen kleinen Kreis und schüttelte dabei wild den Kopf, als würde er einem lästigen Insekt entkommen wollen, das ihm im Nacken saß. Bettine war so gebannt von diesem Anblick, dass ihr Schiller die Arm brust entreißen musste, um eilig die Sehne für den zwei ten Schuss zu spannen.
Nun hörte der Keiler aber das Knarren der Spannwin de, und augenblicklich rannte er auf das Gebüsch zu, in dem sich Schiller, Bettine und Karl verborgen hatten, Wut in den Augen und die Hauer zum Stoß bereit. Schiller warf die Armbrust von sich und griff zu seinem Knotenstock, um den Angriff abzuwehren. Bettine sprang zur Seite. Schiller ließ das dicke Ende des Stocks auf dem Schädel des Tieres niederkrachen, aber der Schlag blieb ohne Wirkung. Schiller floh hinter den Stamm einer Eiche. Das rasende Tier folgte ihm und umrundete den Baum mal links, mal rechts, ohne aber Schillers habhaft zu werden. Bettine hatte den Hirschfänger gezogen und zu Schiller auf den Waldboden geworfen und selbst die Pis tole gespannt und angelegt, wiewohl es vereinbart war, nur im äußersten Notfalle zu feuern.
Während des unbarmherzigen Ringelreihens um die Eiche schlich sich Karl an, einen selbstgeschnitzten Speer aus Birkenholz in der Hand, und mit einem Angriffsschrei trieb er das Holz in die Flanke des Keilers. Dieser wandte sich nach seinem neuen Gegner um, aber Karl hielt den Speer in den Händen und den Keiler damit auf Abstand, derweil die Wunde immer weiter einriss. Die Kraft des Wildschweins war jedoch so gewaltig, dass der Speer schließlich brach. Das längere Ende blieb im Leib des Keilers stecken wie zuvor der Bolzen. Nun rannte das Tier Karl um, doch er war sofort wieder auf den Beinen und gab Fersengeld. Zu seinem Glück bekam er einen niedrig hängenden Ast zu fassen und konnte sich daran in die Höhe ziehen, außer Reichweite des mordschnaubenden Biests.
Schiller hatte Bettines Hirschfänger aufgenommen. Mit einem Satz war er hinter dem Tier, setzte ihm die Klinge unter die Kehle und zog sie empor. Des Keilers Hauer erfassten Schiller am Arm und rissen ihm ein Loch ins Hemd und das Messer aus der Hand, aber der Kampf war geschlagen: Als sich Schiller erneut entfernte, folgte ihm das wilde Tier nicht mehr. Aus dem Hals des Ebers sprudelte das heiße Blut auf den kalten Waldboden, bis er ganz vom aufsteigenden Dampf umhüllt war. Er betrachtete mal Schiller, mal Bettine heftig atmend, setzte noch ein paar trunkene Schritte vor und zurück und sank dann auf dem toten Laub nieder, seine Seele auszuhauchen.
Bettine hatte bis zuletzt die Pistole auf das Tier gerichtet. Jetzt entspannte sie den Hahn und ließ die Waffe sinken. Karl schwang sich vom rettenden Ast herab. Schiller inspizierte den Riss in seinem Hemde und das Hämatom in seiner
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