Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das erste Buch der Traeume

Das erste Buch der Traeume

Titel: Das erste Buch der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
»Arthur hat aus dem Nichts einen Feuerball erscheinen lassen …«
    »Wir sollten uns beeilen«, fiel ihm Henry ins Wort. »Wir haben schon viel zu viel Zeit verloren, und am Ende wird Jasper wieder aufwachen, bevor wir unsere Antwort haben.«
    »Nein, dieses Mal nicht«, sagte Jasper mit Stolz in der Stimme. »Ich habe eine Migränetablette von meiner Mum eingeworfen. Sie schläft damit immer zwei Tage am Stück.«
    »Trotzdem – lasst uns anfangen«, sagte Grayson. »Ich bin nämlich nicht sicher, ob ich die Zimmertür richtig zugemacht habe, und gegen drei kratzt Spot immer wie blöde am Teppich, weil er rauswill … Habt ihr das gesehen?« Er zeigte in den Nebel. »Was war das?«
    »Nur der Wind«, sagte Henry. Ein Windstoß hatte tatsächlich Bewegung in die Zweige der Bäume gebracht, aber für einen Moment war es mir, als hätte ich in den Nebelfetzen etwas gesehen, eine huschende Gestalt.
    »Ich dachte nur …« Grayson starrte ins Dunkel.
    »Hier vorne ist Platz genug.« Arthur war ein paar Schritte weitergegangen, in den Schatten einer alten Zeder. Die anderen folgten ihm. Plötzlich schien eine eher gedrückte Stimmung zu herrschen. Ich kaute gespannt an meiner Unterlippe. Was würde jetzt passieren? Ich hoffte sehr, dass kein Skelett oder gar so ein halbverwester Leichenzombie in diesem Traum vorkam, denn vor denen gruselte es mich in Filmen immer ziemlich. Andererseits befanden wir uns auf einem Friedhof, da war das wohl zu erwarten. Kurzfristig fragte ich mich, ob mein Traum ein bisschen zu sehr in Klischees abglitt, aber egal, Hauptsache, er blieb so spannend. (Nur ohne Spinnen, wenn es ging.)
    »Fünf haben das Siegel gebrochen, fünf haben den Eid geleistet, und fünf werden das Tor öffnen, wie es geschrieben steht. Wie in jeder Neumondnacht sind wir gekommen, unseren Eid feierlich zu erneuern.« Arthur hatte einen Stock aufgehoben und zeichnete damit etwas auf den Boden, wobei er mit großen Schritten einen Kreis beschrieb. Da, wo die Stockspitze den Boden berührte, ging das Gras in Flammen auf.
    Ich war beeindruckt.
    Die anderen stellten sich um das Feuer herum auf. Dazu intonierte Arthur mit salbungsvoller Stimme eine Art Singsang, den ich leider hinter meinem Grabstein nur bruchstückhaft verstehen konnte, weil die Flammen so laut knisterten. »… custos opacum … wissen, dass wir deinen Zorn erregt haben … zu Recht hegst du Zweifel … schwören, dass Anabel bereut, was passiert ist … sie leidet … alles tun, um unseren Eid zu erfüllen … sie nicht noch mehr bestrafen …«
    »Und uns auch nicht«, sagte Jasper. »Wir können ja nichts dafür …« Er verstummte, als er die unwilligen Blicke der anderen bemerkte.
    »Komm und sprich zu uns …«, fuhr Arthur fort, und die Flammen loderten höher. »… foedus sanguinis … interlunium … der du tausend Namen trägst und in der Nacht zu Hause bist … wir brauchen …« Der Rest ging im Knistern unter.
    Was brauchten sie? Wer war Anabel, und was bereute sie? Und welchen Eid wollten sie erfüllen? Ich platzte beinahe vor Neugierde, aber aus Angst, sie könnten mich entdecken, wagte ich mich nicht näher heran. Zumal Henry genau in meine Richtung schaute. Die Flammen spiegelten sich in seinen Augen wider, was ausgesprochen gruselig aussah. Nein, noch weiter heranschleichen war unmöglich. Es sei denn, ich wäre wirklich eine Katze gewe… Moment mal! Das hier war schließlich ein Traum. Ich konnte alles sein, was ich wollte, auch eine Katze. Ich hatte mich schon öfter im Traum in ein Tier verwandelt. (Wenn auch nicht immer freiwillig. Mit Schaudern erinnerte ich mich an diesen Traum, in dem ich eine Maus gewesen war und Lottie mich mit einem Besen verfolgt hatte.)
    » Custos opacum … wir bitten dich demütig, zeig uns, wer auf den leeren Platz treten soll … non est aliquid absconditum … bitte …«
    Ich kniff die Augen zusammen und dachte, so intensiv ich konnte, an die kleine Schleiereule, die ich mal als Neunjährige in einem Vogelpark in Deutschland auf die Hand hatte nehmen dürfen. Eulen konnten nachts noch besser sehen als Katzen, und vor allem konnten sie absolut lautlos fliegen. Als ich die Augen wieder öffnete, befand ich mich in luftiger Höhe, mehrere Meter über der Erde und hatte meine Klauen um einen Zedernzweig geschlagen.
    Ein großartiger Traum war das! Er hatte auf den Part verzichtet, in dem ich das Fliegen hätte lernen müssen, und mich direkt an den passenden Ort gesetzt, auf den perfekten

Weitere Kostenlose Bücher