Das erste Buch der Traeume
selbst der konservativste Kater der Welt sie in sein Patchworkherz schließen musste, ja, selbst der Kater des Papstes, falls er einen hatte.
Dann kläffte sie urplötzlich einen Radfahrer an, der vor Schreck beinahe gegen eine Laterne fuhr.
Ich kicherte wieder. Dieser Hund war ein kleiner Teufelsbraten.
Apropos Teufelsbraten: Lulila hatte sich übrigens nur mit einiger Mühe im Internet aufstöbern lassen (es gab allerdings jede Menge Kindermodengeschäfte mit diesem Namen), aber ich hatte ihn schließlich tatsächlich auf einer Liste mit sumerischen Gottheiten und Dämonen gefunden. Lulila – sumerischer Nachtdämon. Das war leider alles. Womit ich aber meiner wissenschaftlichen Traumprotokollauswertung getrost einen weiteren Punkt hinzufügen konnte: Fünftens: Offensichtlich war ich in der Lage, von Dingen zu träumen, die ich gar nicht wissen konnte.
16.
Die Stimmung war aus verschiedenen Gründen ein wenig angespannt, als wir bei Ernest eintrafen. Zum einen waren wir tatsächlich zwanzig Minuten zu spät (das hatte aber nicht an mir gelegen, sondern daran, dass wir, geführt von Miss-»zu siebzig Prozent sicher«-Mia, in den falschen Bus gestiegen waren), zum anderen hegten Mia und ich die schlimmsten Befürchtungen, was Lottie und Florence anging.
»Wenn sie auch nur eine Bemerkung macht …«, murmelte Mia drohend vor sich hin.
Wir hatten Lottie nicht verraten, wie sehr sich Florence gewehrt hatte, ihre Räumlichkeiten abzutreten, selbst Mum war nicht die kleinste Andeutung über die Lippen gekommen. Wir alle wussten, dass Lottie sonst entweder gar nicht mitgekommen wäre oder, was wesentlich wahrscheinlicher war, darauf bestanden hätte, in die Besenkammer zu ziehen.
»Oder wenn die irgendwie blöd guckt …«, fuhr Mia fort.
Ich wiederum starrte den Fürchterlichen Freddy vor der Eingangstür der Spencers an und konnte mir gerade noch verkneifen »Ydderf, Ydderf, Ydderf« zu sagen, anstatt zu klingeln. Seltsam, wie vertraut mir die übergewichtige Steinfigur im Laufe der vergangenen Nächte geworden war. Fast erwartete ich, dass sie mir zuzwinkerte.
Wir waren von der Bushaltestelle bis hierher gerannt und hatten Mum und Lottie abgehängt, die jetzt erst keuchend um die Ecke in die Einfahrt bogen. Bedauerlicherweise gleichzeitig mit einem großen Mann in Cordhosen und Rollkragenpulli, der aus der anderen Richtung kam und es ähnlich eilig zu haben schien. Er stolperte über die Hundeleine, und das fand Butter gar nicht komisch, sie fing an zu kläffen und herumzutoben und nach den Cordhosen zu schnappen, und es entstand ein kleiner Tumult. Mia und ich versuchten, Butter am Halsband zu packen, aber das war gar nicht so einfach, Butter wand sich wie ein Aal. Die extralange Hundeleine wickelte sich um Lotties Füße und die Beine des Mannes und brachte sie beide zu Fall, während Mum danebenstand und wenig hilfreich ungefähr zehnmal hintereinander »Böser Hund!« rief.
Schließlich gelang es mir, Buttercup am Halsband wegzuziehen, und Lottie und der Mann konnten sich aufrichten. Dabei stießen sie mit ihren Köpfen zusammen, und als Lottie »Au!« sagte, hätte Buttercup sich nur zu gerne erneut ins Getümmel gestürzt. Sie bellte vorwurfsvoll.
»Böser Hund«, sagte Mum mit schwacher Stimme.
Der Mann rieb sich die Stirn. »Alles in Ordnung?«, erkundigte er sich bei Lottie, und das musste man ihm wirklich hoch anrechnen. Jeder andere an seiner Stelle hätte mit einem Anwalt gedroht.
»Entschuldigung«, sagte Lottie ein wenig atemlos und strich sich eine braune Locke aus dem Gesicht. »Normalerweise bin ich ein ganz lieber Hund.«
Mia hielt sich die Hand vor den Mund, um nicht loszukichern.
»Ähm, sie, meine ich«, stotterte Lottie und lief rot an. Offenbar schien der Anblick des Mannes sie kolossal zu verwirren. »Sie ist ein lieber Hund. Ich … äh … sie mag nur keine Briefträger.«
»Oh, ich bin kein Briefträger«, versicherte ihr der Mann. »Ich bin das schwarze Schaf der Familie Spencer, Ernests Bruder Charles. Und ihr müsst unser neuer Familienzuwachs sein. Freut mich, euch alle kennenzulernen.«
Jetzt, wo wir Zeit hatten, ihn näher in Augenschein zu nehmen, wunderte uns diese Eröffnung nicht wirklich, denn Charles wies eine geradezu fatale Ähnlichkeit mit Ernest auf: die gleiche breitschultrige Statur, die gleichen blauen Augen, die gleiche Neigung zur Glatzenbildung, die gleichen riesigen Elefantenohren. Sogar seine Stimme klang ganz ähnlich.
Er schüttelte uns
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