Das erste Buch der Traeume
meine Wange. »Mein Gott, was für gruselige Monster waren das denn?«
»Junior-Highschool-Monster«, sagte ich.
» Junior Highschool? Die? Aber die waren riesig.«
»Durch Überernährung, weil sie vermutlich schon in der Grundschule von allen Kindern die Lunchboxen konfisziert haben. Außerdem sind sie sitzengeblieben, mehrfach, schätze ich.« Allmählich hatte ich begriffen, wie es sein konnte, dass er hier war. »Das ist ein Traum, oder? Denn das hier ist Berkeley, und in Berkeley kannte ich dich noch gar nicht.« Vor Erleichterung bekam ich ganz weiche Knie. Nur ein Traum. Gottseidank. »Natürlich – die grüne Tür! Ich hab sie im Spiegel kurz gesehen und mich gewundert …«
»Warum zur Hölle träumst du denn so was, Liv?« Henry streichelte mich immer noch.
»Weil es genauso passiert ist. Vor drei Jahren in Berkeley. Nur, dass mich da keiner gerettet hat.« Stattdessen hatte ich mir eine Viertelstunde lang die Seele aus dem Leib gekotzt. Das hatte mir immerhin »die Türquetsche« erspart. Die hatten sie ein paar Wochen später an einem Mädchen namens Erin ausprobiert. Mir wurde jetzt noch schlecht, wenn ich an Erins Hand dachte.
»Deshalb siehst du so … jung aus.« Henry lächelte. »Süß. Diese Zahnspange!«
Ich fuhr mir mit der Zunge über die Zähne. Oh ja, an das ganze Metall im Mund konnte ich mich noch zu gut erinnern. Trotzdem – in Henrys Gegenwart wollte ich auf keinen Fall wie dreizehn aussehen.
Er pfiff leise durch die Zähne, als mein Körper sich wieder meinem heutigen Ich anglich. Sein Beschützerinstinkt schien sich zu verabschieden, die Besorgnis verschwand aus seiner Miene, er hörte auf, mich zu streicheln. Mit einem breiten Grinsen lehnte er sich an die gegenüberliegende Kabinenwand und verschränkte seine Arme. »Du bist ganz schön gewachsen in den letzten drei Jahren.«
»Ja, leider auch an der Nase.« Ich sah an ihm vorbei in den Spiegel, strich mir über den Nasenrücken und kontrollierte, ob mein Umstyling geglückt war. Der Einfachheit halber hatte ich wieder das Outfit vom letzten Mal an: Jeans, Sneaker und das Ninja-T-Shirt. Ich überlegte, ob ich meinen Haaren noch ein bisschen mehr Volumen verpassen sollte, aber das wäre mir wie Schummeln vorgekommen.
»Ich mag deine Nase«, sagte Henry.
»Ja, vielleicht, weil deine auch zu lang ist.« Ich lächelte zu ihm hoch. Ich war zwar gewachsen, aber immer noch viel kleiner als er. Es war süß gewesen, wie er mich vorhin verteidigt hatte. Im Traum war er immer so nett zu mir, viel netter als in Wirklichkeit. Andererseits … »Was suchst du eigentlich hier? Das ist mein ganz persönlicher Albtraum und das Mädchenklo! Du hast hier nichts verloren.«
Er ignorierte meine Fragen und betrachtete sich ebenfalls im Spiegel. »Meine Nase ist überhaupt nicht zu lang. Die ist genau richtig. So eine Nase muss schließlich zum Rest vom Gesicht passen.« Sein Spiegelbild zwinkerte mir zu. »Sollen wir vielleicht woanders hingehen? Hier ist es irgendwie unromantisch.«
»Ja, und mit so hässlichen Erinnerungen verknüpft.« Ich seufzte. »Ehrlich gesagt wusste ich gar nicht, dass ich immer noch von dieser Sache träume. Und dass ich mich noch so genau an ihre Gesichter und ihre Stimmen erinnere.«
Henry wurde sofort wieder ernst. »Sind sie wenigstens von der Schule verwiesen worden?«
Ich schüttelte den Kopf. Ich war damit nie zu einem Lehrer gegangen. Und Mum hatte ich es auch nicht erzählt, sie hätte sich sonst schrecklich aufgeregt. Nur Lottie hatte gemerkt, dass mit mir was nicht stimmte, und es aus mir herausgequetscht. Sie war leichenblass im Gesicht geworden. Und dann hatte sie mich zu Mr Wu geschleppt, damit ich lernte, mich selbst zu verteidigen. Am nächsten Morgen war sie mit mir zur Schule gefahren, und ich musste ihr Aubrey, Samantha, Lindsay und Abigail zeigen. Ich weiß nicht, was sie dann gemacht hat, aber sie haben mich nie wieder belästigt. Dabei war ich nach ein paar Wochen Kung-Fu-Unterricht bei Mr Wu so gut, dass ich es mir fast gewünscht hätte.
»Wir könnten ihnen hinterherlaufen und sie so richtig verprügeln«, schlug Henry vor. »Jetzt, wo du weißt, dass du nur träumst.«
Ich winkte ab. »Ach nein. Ich wette, wenn ich sie heute treffen würde, hätte ich nur Mitleid mit ihnen … Los, sag schon, was suchst du hier, Henry?«
»Ich wollte dich einfach mal besuchen kommen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich in einem Mädchenklo landen würde, im schrecklichsten Moment deines Lebens.« Er
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