Das erste Gesetz der Magie - 1
schnell sie konnte, ohne sich umzudrehen, denn sie hatte zuviel Angst, um nachzusehen, ob sie jemand verfolgte. Nach einer Weile mußte sie es einfach wissen und blieb schließlich stehen, um sicherzugehen. Kein Mensch. Außer Atem setzte sie sich zum Ausruhen auf eine dicke Wurzel mitten auf dem Weg. Die Umrisse des Schlosses, die Zinnen der Mauer, die Türme mit den Lichtern, hoben sich gegen den nächtlichen Sternenhimmel ab. Nie würde sie dorthin zurückkehren, niemals. Sie und Giller wollten dahin fliehen, wo die Menschen freundlich waren, und sie würden niemals zurückkommen. Sie japste noch nach Luft, als sie eine Stimme hörte.
»Rachel?« Es war Sara.
Sie legte Sara auf den Schoß, oben auf das Bündel. »Jetzt sind wir in Sicherheit, Sara. Wir sind entwischt.«
Sara lächelte. »Da bin ich aber froh, Rachel.«
»Wir werden nie wieder an diesen gemeinen Ort zurückkehren.« »Rachel, Giller möchte, daß du etwas weißt.«
Sie mußte sich vorbeugen. Saras Stimme war kaum zu verstehen. »Was denn?«
»Daß er nicht mitkommen kann. Du mußt ohne ihn gehen.«
Rachel kamen die Tränen. »Aber ich will, daß er mitkommt.«
»Würde er auch gerne, mehr als alles andere, Kind. Aber er muß dableiben und dafür sorgen, daß sie dich nicht finden, damit du fliehen kannst. Nur so bist du in Sicherheit.«
»Aber alleine habe ich Angst.«
»Du wirst nicht alleine sein, Rachel. Ich werde bei dir sein. Immer.«
»Aber was soll ich tun? Wo soll ich denn hin?«
»Du mußt weglaufen. Giller meint, du darfst nicht zurück in deine alte Launenfichte, dort werden sie dich finden.« Rachel machte große Augen, als sie das hörte. »Geh zu einer anderen Launenfichte und am nächsten Tag wieder zu einer anderen, lauf einfach weiter und versteck dich, bis der Winter kommt. Dann mußt du nette Menschen suchen, die sich um dich kümmern.«
»Na gut, wenn Giller das sagt, werde ich das tun.«
»Rachel, Giller hat dich sehr lieb.«
»Ich habe ihn auch lieb«, sagte Rachel. »Lieber als alles andere.«
Die Puppe lächelte.
Urplötzlich erstrahlte der Wald in gelbblauem Licht. Sie hob den Kopf. Dann hörte sie plötzlich einen lauten Knall. Sie sprang auf. Ihr Unterkiefer klappte herunter, und sie riß die Augen auf.
Vom Schloß her, aus dem Innenhof, kam ein gigantischer Feuerball geflogen.
Der Feuerball stieg in die Luft. Funken stiebten, und schwarzer Rauch quoll daraus hervor. Als es höher stieg, verwandelte sich das Feuer in schwarzen Rauch, bis alles wieder dunkel war.
»Hast du das gesehen?« fragte sie Sara.
Sara antwortete nicht.
»Hoffentlich geht es Giller gut.«
Sie schaute auf die Puppe herab, doch die sagte nichts, lächelte nicht einmal.
Rachel drückte Sara an sich und hob das Bündel auf.
»Wir machen uns besser auf den Weg, wie Giller gesagt hat.« Als sie am See vorbeikam, schmiß sie den Schlüssel zu ihrem Schlafkasten so weit sie konnte ins Wasser. Sie lächelte, als sie ihn hineinplumpsen hörte.
Sara schwieg, als sie vom Schloß fortliefen, den Weg hinab. Rachel mußte daran denken, was Giller gesagt hatte, daß sie nicht in dieselbe Launenfichte durfte. Sie bog ab und lief einen Wildwechsel entlang, durch Dornendickicht in eine andere Richtung.
Nach Westen.
34. Kapitel
Ein Geräusch. Leise, zart, fauchend.
Es ergab keinen Sinn, im Dunst halb zwischen Schlafen und Wachen, sosehr er auch versuchte, es einzuordnen. Erst langsam, dann mit zunehmender Dringlichkeit wachte er auf und bemerkte den Duft bratenden Fleisches. Sofort bedauerte er, bei Bewußtsein zu sein. Ihm fiel ein, was geschehen war, wie er sich nach Kahlan sehnte. Er hatte die Knie hochgezogen und den Kopf darauf gelegt. Die Borke des Stammes in seinem Rücken drückte sich schmerzhaft ins Fleisch, und seine Muskeln waren vom Schlafen in derselben Stellung die ganze Nacht hindurch steif. Mit dem Kopf auf den Knien konnte er fast nichts erkennen, außer daß es gerade begonnen hatte, zu dämmern.
Irgend jemand oder etwas war dicht neben ihm.
Er tat, als schlafe er weiter, und schätzte ab, wo sich seine Hände und wo sich seine Waffen befanden. Das Schwert war ein gutes Stück entfernt und mußte erst weit herausgezogen werden. Das Messer nicht. Seine Fingerspitzen berührten den Walnußgriff. Er streckte sie langsam, vorsichtig, bis er den Griff in der Hand hielt und fest zupacken konnte. Was immer es war, es befand sich links, dicht neben ihm. Ein Sprung und ein Stoß mit dem Messer, überlegte er.
Vorsichtig
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