Das erste Gesetz der Magie - 1
Sucher. Du hast die Gabe. Ich freue mich auf den Tag, an dem wir auf derselben Seite stehen. Es wird mir eine Freude sein, dich in meiner Nähe zu haben. Die, mit denen ich mich herumschlagen muß, sind sehr beschränkt. Nach der Zusammenführung der Welt werde ich dir noch mehr beibringen, wenn du möchtest.«
»Wir werden niemals auf derselben Seite stehen. Niemals.«
»Die Entscheidung liegt bei dir, Richard. Ich bin nicht nachtragend. Ich hoffe, wir werden Freunde.« Rahl musterte Richards Gesicht. »Noch etwas. Du kannst im Palast des Volkes bleiben oder ihn verlassen, ganz wie du willst. Meine Wachen werden sich um dich kümmern. Allerdings wird ein magisches Netz um dich gesponnen sein. Im Gegensatz zu dem, das du gerade zerrissen hast, wird es sich nicht auf dich auswirken, sondern auf die, die dich sehen. Deshalb wirst du es auch nicht zerreißen können. Man nennt es ein Feindesnetz. Wer dich sieht, wird in dir einen Feind sehen. Wer auf meiner Seite steht, der wird dich als den sehen, der du bist, denn im Augenblick bist du mein Feind und daher auch ihrer. Zumindest im Augenblick. Deine Freunde jedoch werden in dir denjenigen sehen, den sie am meisten fürchten, ihren schlimmsten Feind. Ich will, daß du siehst, wie die Menschen von mir denken, daß du die Welt mit meinen Augen siehst und erkennst, wie ungerecht ich beurteilt werde.«
Richard brauchte nicht einmal zu versuchen, seinen Zorn zurückzuhalten, es gab keinen. Er spürte einen seltsamen Frieden. »Kann ich jetzt gehen?«
»Natürlich, mein Junge.«
»Und Herrin Denna?«
»Sobald du diesen Raum verläßt, stehst du wieder unter ihrer Gewalt. Hat eine Mord-Sith einmal deine Zauberkraft, gehört sie ihr. Ich kann sie ihr nicht wegnehmen, um sie dir zurückzugeben. Du mußt sie dir selbst zurückholen.«
»Und inwiefern bin ich dann frei?«
»Ist das nicht deutlich genug? Wenn du gehen möchtest, mußt du sie töten.«
»Sie töten!« Richard war entsetzt. »Meint Ihr nicht, ich hätte sie längst getötet, wenn ich dazu imstande wäre? Meint Ihr, ich hätte das alles über mich ergehen lassen, wenn ich sie hätte töten können?«
Darken Rahl lächelte dünn. »Du warst immer in der Lage, sie zu töten.«
»Und wie?«
»Nichts, was existiert, hat nur eine Seite. Selbst ein Blatt Papier, so dünn es auch ist, hat deren zwei. Auch Magie ist nicht eindimensional. Du hast nur eine Seite gesehen, das tun die meisten. Betrachte das Ganze.« Er zeigte auf die Leichen seiner beiden Posten. Die Posten, die Richard getötet hatte. »Sie kontrolliert deine Zauberkraft, und doch hast du das hier getan.«
»Aber das ist etwas anderes, gegen sie funktioniert das nicht.«
Rahl nickte. »Doch, tut es. Aber du mußt es vollkommen beherrschen. Halbherzigkeiten können dir eine Menge Ärger machen. Sie kontrolliert dich mit nur einer Dimension deiner Zauberkraft, der Seite, die du ihr angeboten hast. Du mußt die andere Seite nutzen. Das hätten alle Sucher gekonnt, doch keinem ist es jemals gelungen, sie zu beherrschen. Vielleicht bist du der erste.«
»Und wenn nicht? Wenn es mir nicht gelingt?« Darken Rahl klang für Richards Empfinden zu sehr nach Zedd. Das war es, was Zedd ihm immer beigebracht hatte, er mußte für sich denken, die Antworten auf seine Art finden, mit seinem eigenen Verstand.
»Dann, mein junger Freund, steht dir eine harte Woche bevor. Denna hat es gar nicht gefallen, wie du sie blamiert hast. Am Ende der Woche wird sie dich zu mir bringen, und du wirst mir deinen Entschluß mitteilen: ob du mir helfen oder alle deine Freunde leiden und sterben lassen willst.«
»Verratet mir nur, wie ich die Magie des Schwertes benutzen, sie beherrschen kann.«
»Natürlich. Sofort, nachdem du mir dein Wissen aus dem Buch der Gezählten Schatten mitgeteilt hast.« Rahl grinste. »Das hätte ich nicht gedacht. Gute Nacht, Richard. Und vergiß nicht, eine Woche.«
Die Sonne ging unter, als Richard den Garten und Darken Rahl verließ. Ihm schwirrte der Kopf von den Dingen, die er erfahren hatte. Daß Darken Rahl wußte, welches Kästchen ihn töten würde, war unangenehm, aber vielleicht wandte er auch bloß das erste Gesetz der Magie an. Schlimmer war, daß Richard von einem seiner eigenen Leute verraten worden war. Das gefiel ihm überhaupt nicht. Noch weniger gefiel ihm, daß er genau wußte, wer dafür in Frage kam. Shota hatte ihm gesagt, daß Zedd und Kahlan ihre Macht gegen ihn benutzen würden. Es mußte einer der beiden gewesen sein.
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