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Das erste Jahr ihrer Ehe

Das erste Jahr ihrer Ehe

Titel: Das erste Jahr ihrer Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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dem Gedanken, dass sie eine Frau belog, die sie jetzt als Freundin betrachtete. Aber sie hatte sich selbst in diese Situation gebracht, indem sie von Anfang an die Wahrheit über Diana verschwiegen hatte. Sie musste damit rechnen, dass die Lüge vielleicht noch unerwartete Folgen haben würde.
    »Bekommen der Führer und die Träger Trinkgeld von uns?«, fragte Kevin. Er war in einem Pullover mit V-Ausschnitt auf die Veranda gekommen. Margarets langes, weißes Dashiki fiel bis zum Boden herab. Sie hatte vier davon in verschiedenen Farben und trug sie bei jeder Gelegenheit, weil sie so bequem waren. Everdene zeigte stolz ihre gebräunte Haut in einem hauchdünnen aquamarinblauen Hemd mit silberner Halskette. Die Sonne ging unter, Margaret wusste, sie würden jetzt wahrscheinlich bald hineingehen müssen. Wenn das Licht vom Rasen wich, stiegen die Mücken aus dem Gras auf.
    »Nur der Führer, glaube ich«, sagte Patrick. »Er teilt dann mit den anderen.« Er schwieg einen Moment. »Oder auch nicht.«
    »Wissen Sie, wie viel? Ich möchte nur sicher sein, dass ich am Ende noch genug Bargeld bei mir habe.«
    »Auf dem Berg brauchen Sie bestimmt kein Bargeld«, sagte Patrick. »Ich weiß es nicht genau, aber ich werde mich erkundigen, bevor es losgeht.«
    »Ich kann es kaum erwarten, die Lodge zu sehen«, sagte Everdene. »Sie soll ganz wunderbar sein.«
    Margaret musste an die Impalas im hohen Gras denken, sah vor sich wieder den davonspringenden Bock. »Nehmen Sie auf jeden Fall einen Pulli mit«, meinte sie. »Abends ist es kühl. Es wird auf der ganzen Wanderung kalt sein. Da hilft das Zwiebelprinzip.«
    »Sie haben Ihren ersten Versuch vor einem Jahr unternommen, nicht wahr?«, fragte Everdene.
    »Ja«, bestätigte Patrick, ohne Margaret anzusehen. »Fast genau auf den Tag. Es gibt nur zweimal im Jahr eine kurze Zeitspanne, in der es überhaupt möglich ist, den Berg zu besteigen. In der Regenzeit geht es gar nicht. Erstens würde man den Berg nie hinaufkommen und zweitens bestünde die Gefahr, dass man sich in einem Schneesturm verläuft.«
    »Ein Schneesturm am Äquator«, sagte Kevin. »An die Vorstellung kann ich mich immer noch nicht gewöhnen.«
    »Sie werden den Schnee schon sehen«, bemerkte Margaret. »Besonders ganz oben.«
    Das Paket mit den Parkas und der seidenen Unterwäsche war am Tag zuvor eingetroffen. Patrick hatte auf der Post länger als eine Stunde anstehen müssen, um es abzuholen. Margaret und er waren das schon gewöhnt. Vor Weihnachten hatte es vier Stunden gedauert.
    Margaret bedauerte es, dass sie nicht vier lange Unterhosen bestellt hatte, dann hätte sie Kevin und Everdene zwei abgeben können. Wenigstens konnte sie ihnen Socken schenken.
    Die drei von ihnen, die arbeiteten, wollten sich den Freitag freinehmen, damit sie zwei Nächte in der Lodge bleiben konnten, ehe sie am Sonntagmorgen aufbrachen. Margaret fragte sich, ob sie denselben Führer, vielleicht dieselben Träger haben würden. Sie hoffte es nicht. Der Führer würde sich bestimmt an Margaret und Patrick erinnern und womöglich im Beisein von Kevin und Everdene eine Bemerkung machen – eine Situation, die Margaret sich lieber nicht vorstellen wollte.
    An dem Sonntagmorgen, an dem sie beschlossen hatte, die Tour auf den Mount Kenya noch einmal zu wagen, hatte Patrick das Wort bannen gebraucht. Margaret hatte wochenlang über diesen Ausdruck nachgedacht und hatte entschieden, dass dies genau das Wort für das war, was sie mit der Erinnerung an diese erste Tour zu tun hoffte.
    Margaret musterte die Träger. Sie stellte sich jedem von ihnen vor und fragte nach ihren Namen. Sie lächelten sie an. Die Gesichter waren fremd. Als der Führer sich mit ihr bekannt machte, sprach sie zuerst Swahili mit ihm und dann Englisch. Sie gab ihm die Hand und erfuhr auf ihre Frage, dass er Njoroge hieß. Sie hätte gern gewusst, ob ihm nicht jedes Mal, wenn er mit einer Klettergruppe loszog, mulmig war. Seit der letzten Tour hatte Margaret gehört, dass sich die Hälfte aller auf eine akute Höhenkrankheit zurückzuführenden Todesfälle auf der Welt auf dem Mount Kenya ereignete.
    Margaret und Patrick hatten ihre dick wattierten dunkelblauen Jacken schon übergezogen. Einen Teil der wärmeren Sachen und die seidene Unterwäsche ließen sie vorläufig noch in ihren Rucksäcken. Everdene war in einen roten Anorak geschlüpft, bei dessen Anblick Margaret im ersten Moment erschrak. Kein weißer Pelzbesatz an der Kapuze, aber die Jacke war der, die

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