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Das erste Mal und immer wieder

Das erste Mal und immer wieder

Titel: Das erste Mal und immer wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Moos
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grausamen Realität. Aber es tat gut, darüber zu reden. Seine Schweigsamkeit machte es mir einfach, mich komplett auszusprechen.
    »Das ist ja ein toller Arzt, dieser Doktor in Hamburg«, er schüttelte den Kopf. »Das machen wir anders.« – »Wir?«, ich sah ihn an. »Was meinst du mit wir? Du musst nach Frankfurt, und ich muss nach Hause.« – »Lisa«, er nahm meine Hand, »ich weiß, sicher ist es pervers, dass so ein alter Bock wie ich dich hier mit hergenommen hat. Aber jetzt hast du mich irgendwie da mit reingezogen, und jetzt beenden wir es auch gemeinsam. Ich fühle mich verantwortlich. Herrgott, wenn ich das gewusst hätte.«
    Er raufte sich die Haare. Ich raufte mir die Haare.
    Irgendwann gingen wir zusammen duschen. Sex hatten wir an dem Tag keinen mehr. Aber die Haare, die hat er mir noch glatt geföhnt. Rolf bestand darauf, dass ich meine Mutter anrief und ihr eine Nachricht hinterließ, dass ich bei einer Freundin geschlafen hätte. So einfach würde meine Mutter sich nicht damit zufrieden geben. Aber momentan war es das Einzige, was ich zu bieten hatte, und ich hatte andere Sorgen.
    Rolf nahm mich mit nach Frankfurt und besorgte mir ein kleines Zimmer in einer Familienpension. Auch einen Termin bei einem befreundeten Arzt machte er für mich aus. Ich glaube, der Gynäkologe ging davon aus, dass Rolf der Übeltäter war, und so half er mir unbürokratisch und kostenlos mit einem Schwangerschaftsabbruch unter Narkose. Schon abends konnte ich in die Pension zurück, wo ich mich ausruhte bis zum nächsten Mittag. Rolf sah ich diese Tage nicht mehr, er rief zweimal an, um sich nach mir zu erkundigen, und hatte mir eine Rückfahrkarte sowie etwas Kleingeld für die Zugfahrt dagelassen. Ich war ihm so dankbar!
    Wir waren nicht verliebt ineinander, wir hatten uns nur schrecklich gern. Von dem Tag an war Rolf einer meiner engsten und besten Freunde, wir telefonierten häufig, sahen uns manchmal und schliefen dann miteinander. Als im Laufe der Jahre gewahr wurde, dass ich mich prostituierte, war er schockiert und böse auf mich. Ich hörte zwei Jahre nichts von ihm, bis mich eines Tages, kurz vor seinem Tod, auf irren Umwegen ein Brief erreichte.
    Er schrieb:
    »Hallo, meine liebe, wuschlige Lisa. 14.10.95
    Ich denke oft an die Tage und Nächte, an die schöne Zeit mit dir, viel zu kurz, und doch hat sie mich nachhaltig sehr glücklich gemacht.
    Dich kennen zu lernen war aufregend, dich zu kennen war noch viel aufregender. Nun hat mich die graue Seite des Lebens eingeholt, zerrt an meinen Geistern und bittet mich zur Ruhe. Sei nicht traurig, kleine Lisa, ich habe alles gelebt, was es zu leben gab.
    Ich habe ein Gedicht gefunden, es ist von Heinrich Heine, und ich glaube, er träumte dabei von dir. Gleichzeitig soll es dir deine Frage beantworten. Die Frage, ob ich dir deinen Weg verzeihen kann:
    Die Welt ist dumm, die Welt ist blind,
    wird täglich abgeschmackter!
    Sie spricht von dir, mein schönes Kind,
    du hättest keinen guten Charakter.
    Die Welt ist dumm, die Welt ist blind,
    und dich wird sie immer verkennen,
    sie weiß nicht, wie süß deine Küsse sind,
    und wie beseligend sie brennen.
    Heinrich Heine
    Lebe wohl, mein kleiner roter Engel. Als Beilage meine Brieftasche, es sind genau 870 DM plus Silbergeld darin, so ziemlich genauso viel, wie ich damals im Hotel bei mir hatte. Nur, dass du jetzt etwas Lustiges oder Hübsches davon kaufen solltest, etwas, das dich an mich erinnert. Alles Gute und einen letzten Kuss, Rolf «
JÖRG
    Mittlerweile war ich 16 geworden. An einem dieser düsteren und unheimlich leeren, sinnlosen Tage schlich ich traurig und ziellos durch den Ort. Ich war am Grab meines Vaters gewesen, es wurde bereits dunkel. Da traf ich Heike. Wir hatten uns ewig nicht gesehen, und ich war sicher, dass sie nicht ahnte, in welch zweifelhaftem Ruf ich hier mittlerweile stand, und so hatte ich eigentlich keine große Lust, ihr zu begegnen.
    »Lisa, bist du das?« Sie rief mir zu, und mir blieb nichts anderes übrig, als stehen zu bleiben. »Ja, hallo.« Langsam ging ich weiter, aber sie rannte von der Seite auf mich zu und stellte sich vor mich.
    »Na, so was, wie siehst du denn aus? Fasching?« – »Wie witzig«, sagte ich. »Nein, ich sehe halt so aus, wie ich aussehe, außerdem muss ich nach Hause.« – »Och, schade, na gut, ich habe es auch eilig. Wie wäre es morgen Abend, ich habe einen neuen Freund, hast du nicht Lust vorbeizukommen? Außer dir kommt nur noch ein alter Freund von

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