Das Erwachen: Dunkle Götter 1
gut bei Kräften war.
»Fürchtest du, meinen Ruf noch weiter zu beschädigen?«, fragte sie.
Ich spannte mich an, doch sie nahm es offenbar gelassen. »Ja. Warte, nein, das ist nicht das, was ich meinte.« Das waren wieder die üblichen Schwierigkeiten, mich richtig auszudrücken, wann immer Penny in der Nähe war.
»Er mag mir die Unschuld genommen haben, aber ich werde diese Stunden hier nie vergessen, und sei es nur, weil du zu schwach warst, mir zu entkommen.« Zorn und Trauer schimmerten gleichberechtigt in ihren Worten durch.
»Nein, das hat er nicht getan, Penny. Das wollte ich dir schon seit Tagen erklären«, entgegnete ich.
»Was denn? Woher weißt du das?« Sie machte Anstalten, schon wieder wütend zu werden. Ich hatte Angst, der Streit des vergangenen Tages könnte sich wiederholen. Wenn ich es ihr nur zeigen könnte, um all die Missverständnisse und Irrtümer aufzuklären. Da fiel mir etwas ein. Hätte ich von den Gefahren gewusst, die so etwas mit sich bringt, ich hätte es, besonders im Lichte meiner mangelnden Erfahrung, gewiss nicht versucht.
»Lass es mich dir zeigen, Penny. Ich glaube, ich weiß, wie es geht. Vertraust du mir?« Eindringlich blickte ich sie an, weil ich nicht wusste, wie sie reagieren würde.
»Magie?«, fragte sie.
Ich nickte und fürchtete schon, sie werde sich weigern, doch das tat sie nicht.
»Na gut, was soll ich tun?«, antwortete sie. Darauf drehte ich mich herum, was mir am ganzen Körper Schmerzen bereitete, weil ich unbedingt ihr Gesicht sehen wollte. Als Novize im Bett hatte ich nicht bedacht, wie sich unsere Arme und Beine in dieser Situation verhalten würden. Einfältigerweise hatte ich angenommen, sie werde ein wenig abrücken, damit wir einander ansehen konnten, ohne uns zu berühren, so wie wir es in den unschuldigen Tagen unserer Kindheit getan hatten. Stattdessen schob sie aber ein Bein unter meines und legte den Arm um meine Taille. Glücklicherweise war die Bettdecke hochgezogen, denn so langsam fühlte ich mich gut genug, um auf die Nähe mit einer eindeutigen Regung zu reagieren.
Ich bemühte mich allerdings nach Kräften, derlei Anwandlungen zu unterdrücken, und holte tief Luft. Der Schmerz, den dies verursachte, trug ein Gutteil dazu bei, meine Aufmerksamkeit wieder auf mein Vorhaben zu lenken.
»Was jetzt?«, sagte sie.
»Ich muss einen Augenblick lang dein Gesicht berühren. Ich glaube, das wird ausreichen.« Nickend willigte sie ein. Bisher hatte ich nur ein lycianisches Wort gelernt, das sich auf den Geist bezog. Ich nahm an, es sei genug, um mir zu helfen, das zu tun, was ich tun wollte. » Mirren. « Gleichzeitig dehnte ich mein Bewusstsein aus, um ihres zu berühren. Ich hob die Hand, um sie auf ihr Gesicht zu legen, doch sie wartete nicht darauf, und als ich mich bewegte, beugte sie sich vor und küsste mich.
Die Welt verschwand. Das Gefühl war jenem ähnlich, das ich schon bei Marcs Pferd gehabt hatte, und zugleich doch anders. Es war kein plötzliches Hineinstürzen, und ich hatte auch nicht den Eindruck, meinen eigenen Körper zu verlassen. Vielmehr verschmolzen unsere Geister miteinander, während unsere Gedanken und Gefühle ineinanderströmten. Ihren Körper konnte ich ebenso wie meinen spüren, aber es blieb immer noch ihr eigener, und dies war ein Unterschied. In gewisser Weise war es weniger umfassend, aber doch unendlich sanfter.
Worte waren jetzt nutzlos. Für das Herz sind die Worte nur ein dünner Schleier, der sich über die Wahrheit der Erlebnisse legt. Noch einmal durchlebte ich jene Nacht, erinnerte mich an das, was ich getan und wie ich sie gefunden hatte, welche Gefühle mich durchflutet hatten. Sie dagegen zeigte mir ihre eigenen Erinnerungen davor und danach, sobald sie erwacht war. Die Qualen, die sie danach durchlitten hatte, beschämten mich, weil ich viel zu wenig getan hatte, um sie zu suchen und es zu erklären. Aber dann gab sie mir zu verstehen, ich solle loslassen und mir selbst verzeihen. Auf ihrer Seite wichen die Panik und der Schrecken einem warmen Verständnis für meinen Anteil. Ganz besonders kehrte sie immer wieder zu dem Moment zurück, als ich sie in jener Nacht behutsam ins Bett gebracht hatte. Sie schmeckte es, spürte den Gefühlen nach, die mich erfüllt hatten, als ich sie betrachtet hatte, wie sie da zerbrechlich und schön im Bett gelegen hatte.
Am Rande bemerkte ich, dass wir uns immer noch küssten. Während der ganzen Zeit hatten wir die Umarmung nicht unterbrochen und uns kaum
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