Das Erwachen: Dunkle Götter 1
unangenehmen Dinge zu erörtern, die Lord Devon vor seiner Abreise zustoßen mochten.
Diese Unterhaltung führte jedoch zu nichts, und ich wechselte schließlich das Thema. »Übrigens, habe ich schon erwähnt, dass ich verlobt bin?« Daraufhin starrten sie mich an. Wir redeten abermals eine Weile, und jetzt schlug ich mich mit der Frage herum, wer denn wohl mein Trauzeuge sein sollte. Am Ende beschloss ich, das Problem vorläufig zu vertagen.
In der letzten Zeit sind Magier immer seltener geworden. Als es noch mehr von ihnen gab, wagte es kein Herrscher, ohne die Unterstützung der Magie zu regieren. Seit die meisten alten Geschlechter aber ausgestorben sind, brauchen jene, die politische Macht besitzen, die Zauberer nicht mehr ganz so dringend, denn auch die Feinde verfügen nun über keine Magie mehr, die sie einsetzen könnten. Infolgedessen wurden die letzten Familien größtenteils durch Meuchelmörder ausgelöscht, die oft sogar von jenen geschickt wurden, denen die Zauberkundigen dienten. Diejenigen Magier, die von Gemeinen abstammen, müssen mehr denn je um ihr Leben fürchten, denn sie haben niemanden, der sie schützt.
Marcus der Ketzer,
Über das Wesen von Glaube und Magie
Im Quartier der Dienstmägde holte Penny ihre Siebensachen ab. Es war keine umfangreiche Aufgabe, denn sie besaß ja nicht viel. Die beiden Uniformen, die sie noch hatte, waren vielleicht für Ihre Nachfolgerin nützlich, außerdem gehörten sie ihr ohnehin nicht. Im Grunde waren es nur ein paar Nachthemden, ein selbst genähtes Kleid und einige Kleinigkeiten. Als alles auf einem Haufen lag, schien es erbärmlich wenig zu sein. Bisher war ihr Leben ein langer, beschwerlicher Weg gewesen. Vielleicht wurde es jetzt besser. Ein letztes Mal setzte sie sich auf das Bett und sah sich um. Ihre Gedanken wanderten zu dem Tag zurück, an dem sie ihre Arbeit aufgenommen hatte.
Die Vision kam ohne jede Vorwarnung. Ein Mann ging einen Flur hinunter. Er trug eine braune Kutte und kam ihr irgendwie bekannt vor. In den Händen hielt er einen großen Tonkrug, und der Art und Weise, wie er sich bewegte, konnte man entnehmen, dass das Gefäß mit irgendetwas gefüllt war und äußerst schwer sein musste. Sie sah, wie er die Küche betrat. Diesen Raum, in dem sie oft zu tun gehabt hatte, erkannte sie sofort. Der Koch merkte auf, sah den Mann und machte sich wortlos wieder an die Arbeit, weil ihm der Besucher gut bekannt war. Die Küchenjungen deckten draußen die Tische, darum waren die beiden Männer allein.
Die Gestalt mit der Kapuze trat zum Koch hin und sagte etwas, das Penny nicht verstehen konnte. Der Koch nickte und ging zur Hintertür hinaus, um aus dem kleinen Garten etwas zu holen. Sobald er draußen war, warf der Mann die Kapuze zurück und öffnete den Krug. Nun erkannte sie ihn und fragte sich, was er dort zu suchen hatte. Er hob den Krug und goss den Inhalt in den großen Kessel, in dem die Suppe köchelte. Sie begriff sofort, dass in dem Behältnis gewiss keine gesunde Zutat war.
Nun verlagerte sich die Vision. Sie spürte, dass mehrere Stunden vergangen waren. Der Ball hatte begonnen, die Menschen tanzten, doch etwas stimmte nicht. Sie sah sich selbst in einem langen Gewand mit Lord Devon tanzen, der lachte, als hätte gerade jemand einen Scherz gemacht. Rings um sie herum krümmten sich die Gäste und würgten. Blutlachen breiteten sich auf dem Boden aus, viele Menschen schrien vor Schmerzen. Devon beugte sich vor, um sie zu küssen … und nun schrie auch sie.
Darauf kam sie, immer noch schreiend, wieder zu sich. Ihr Gesicht war feucht vor Schweiß. Nicht noch einmal! , dachte sie. Das darf nicht geschehen. Dann erinnerte sie sich an Vater Tonnsdales Geschichte über die Nacht, als auf der Burg Cameron alle Bewohner gestorben waren. Und nun wusste sie, was sie zu tun hatte. Die Göttin möge mir verzeihen!
Sie ließ die Sachen auf dem Bett liegen. Was sie in der Vision gesehen hatte, würde sich irgendwann in der nahen Zukunft abspielen. So huschte sie durch den Flur zum Quartier des Schurken.
Der Weg nahm nur wenige Minuten in Anspruch. Eine kurze Spanne, wenn man weiß, dass sich das Leben für immer verändern wird. Gerade eben war sie noch glücklich gewesen und hatte sich auf ein Leben gefreut, das sie sich in den kühnsten Träumen nicht erhofft hatte. Sie hätte gleich wissen sollen, dass es zu schön war, um wahr zu werden. Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, die anderen zu warnen, doch gewiss würde man ihr
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