Das Erwachen: Dunkle Götter 1
Sie war erst vierzehn und füllte es noch nicht ganz aus, aber Penny war sicher, dass aus dem Mädchen eines Tages eine strahlende Schönheit werden würde.
»Penny! Wie ich sehe, hast du den ungeschickten Trottel weggejagt und dir eine besser aussehende Gesellschaft gesucht.« Er deutete eine Verbeugung an, die an Rose gerichtet war.
Rose stieß ein perlendes Lachen aus. »Ja, sie hielt es tatsächlich für nötig, sich heute Abend eine bessere Gesellschaft zu suchen.« Penny staunte, wie Rose dies alles gelang. Sogar das Lachen war vollendet. Marcus bat Rose um einen Tanz, und gleich darauf waren sie schon zur Tanzfläche unterwegs und ließen Penny und Ariadne zurück.
»Marcus ist ja wirklich ein großer Schmeichler«, meinte Penny. »Aber wo ist dein jüngerer Bruder Roland?«
»Roland ist noch zu klein und interessiert sich nicht für solche Ereignisse. Mutter sagt, Marcus könnte einer Katze das Fell abschwatzen, aber ich kenne auch seine grobe Seite«, erwiderte Ariadne. »Trotzdem, für einen Bruder ist er gar nicht so übel.« Sie plauderten noch einige Minuten, bis Marc und Rose zurückkehrten. Dann führte er Penny zum Tanz.
»Wie geht es Mort?«, fragte er, als sie über die Tanzfläche schwebten.
»Er erholt sich gut. Heute hatte er Fieber, aber sonst verläuft seine Genesung überraschend schnell. Die Rippen tun ihm überhaupt nicht mehr weh«, erklärte sie.
Marc zog eine Augenbraue hoch. »Schon wieder Magie?«
Penny seufzte. »Ja, er probiert verschiedene Dinge aus, und bisher hat es ihm wohl eher genützt als geschadet.«
»Verrat es ihm nicht, aber ich halte ihn sogar für brillant. Das war schon immer so. Wenn irgendjemand ohne einen richtigen Lehrer herausfinden kann, wie man diese Gabe einsetzt, dann ist er es. Besonders, wenn er jemanden wie dich hat, der sich um ihn kümmert.« Er lächelte sie an.
»Er braucht eine Menge Kümmern«, lachte sie und wünschte, ebenso bezaubernd plaudern zu können wie Rose. Dann dachte sie an den Grund, warum sie überhaupt hergekommen war, und wurde ernst.
»Geht es dir nicht gut?« Marc konnte auf seine Weise durchaus aufmerksam sein.
»Nur ein dunkler Gedanke. Ist Lord Devon schon eingetroffen?« Sie hatte ihn noch nicht gesehen.
»Nein, er hat sich noch nicht blicken lassen. Nur die Ruhe, Penny, ich lasse nicht zu, dass er dich belästigt.« Penny machte sich freilich keine Sorgen, der junge Lord könnte sie behelligen, sondern fürchtete vielmehr, er werde womöglich gar nicht auftauchen. Nach dem Tanz kehrte sie zu Rose zurück, die sich unterdessen freundlich mit Ariadne unterhalten hatte. Marc entdeckte Elizabeth Balistair und führte auch sie auf die Tanzfläche. Im Laufe des Abends würde er nacheinander mit jeder einzelnen Lady tanzen, ganz so, wie es seinen Pflichten als Stammhalter des Hauses entsprach.
Nicht lange danach bat Stephen Airedale sie um einen Tanz. Penny war zwar eine Gemeine, aber die Schönheit galt, zumindest auf einem Ball, offenbar mehr als der Stand. Als sie auf dem Tanzboden waren, hörte Penny die Ankündigung, dass Lord Devon eingetroffen sei. Sie rückte näher an den Tanzpartner heran und spähte über seine Schultern hinweg in den Saal, um ihren Peiniger auszumachen. Sie entdeckte ihn zwar nicht, sah dafür aber Dorian, der abseits stand und mit Gregory Pern sprach. Er ist zu schüchtern zum Tanzen und redet lieber mit dem Sohn des Admirals über Geschichte. Wie typisch! , dachte sie.
Nachdem ihr Partner sie zu Rose und Ariadne zurückgebracht hatte, suchte sie einen Vorwand, um ihnen für einen Augenblick zu entfliehen. »Ich hole mir etwas zu trinken, bin gleich zurück.« Ohne auf eine Antwort zu warten, ging sie zu dem Tisch, an dem die Erfrischungen serviert wurden. Rose beobachtete sie mit zusammengekniffenen Augen.
Penny war froh, als sie hinter dem Tisch ein Dienstmädchen entdeckte, das sie recht gut kannte. Laura würde sich bestimmt nicht weigern, wenn Penny sie um einen letzten Gefallen bat. Sie entschied sich für Rotwein und hielt Lauras Hand fest, als diese ihr das Glas reichen wollte. »Laura, könntest du so gut sein und eine Botschaft für mich überbringen?« Penny tat so, als wäre nichts weiter dabei.
Laura erschrak ein wenig. »Gewiss, Penny, aber das muss bis nach dem Ball warten, weil ich sonst Schwierigkeiten bekomme.« Das passte ausgezeichnet, also nickte Penny und gab dem anderen Mädchen den Brief. Darauf stand nur der Name »Mordecai«.
»Bring ihm einfach den Brief, wenn du
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