Das Eulenhaus
Henrietta vorzufinden, die auf ihn wartete.
Sie trug die grüne Tweedjacke und den Rock, die er an ihr mochte. Er fand, dass sie ihr viel besser standen als Londoner Garderobe. Sie hatte die langen Beine ausgestreckt, und ihre Füße steckten in festen braunen Schuhen, die auf Hochglanz poliert waren.
Die beiden lächelten sich kurz an – eine schnelle Bestätigung, dass beide sich über die Gegenwart des anderen freuten. Mit Henrietta reden wollte John jetzt nicht. Er genoss nur, dass sie da war – ohne sie, das wusste er, wäre das Wochenende seicht und leer.
Lady Angkatell kam zur Begrüßung aus dem Haus. Gerda hieß sie aus lauter schlechtem Gewissen so überschwänglich willkommen wie sonst niemanden. »Nein, wie ausgesprochen entzückend, Sie zu sehen, Gerda! Das ist ja so wahnsinnig lange her. John natürlich auch!«
Es sollte klingen, als ob sie sehnlichst auf Gerda gewartet hatte und John als Anhängsel in Kauf nahm, verfehlte seinen Zweck aber dramatisch. Gerda erstarrte sofort in Unwohlsein.
»Kennen Sie Edward?«, zirpte Lucy schon weiter. »Edward Angkatell.«
»Ich glaube nicht, nein«, sagte John und nickte Edward zum Gruß zu.
Die Nachmittagssonne brachte Johns blonde Haare und seine blauen Augen noch mehr zum Leuchten. So sah vielleicht ein Wikinger aus, der auf Eroberungsfahrt ist und eben an Land geht. Seine warme Stimme mit dem vollen Timbre bezauberte alle Ohren, seine ungemein anziehende Ausstrahlung überlagerte die ganze Szene.
Lucy konnte all das nichts anhaben. Es setzte sogar vielmehr ihre ganze merkwürdige, schwer zu fassende Elfenhaftigkeit frei. Edward allerdings bekam durch die plötzliche Konfrontation mit dem anderen Mann etwas Blutleeres und leicht Gebücktes – wie eine schattenhafte Erscheinung.
Henrietta schlug Gerda einen Gang durch den Küchengarten vor. »Lucy will uns natürlich unbedingt ihren Steingarten und das Herbstblumenbeet zeigen«, sagte sie, schon auf dem Weg. »Aber ich finde Küchengärten immer so schön friedlich. Man kann sich auf die Gurkenbeetrahmen setzen oder in ein Treibhaus gehen, wenn es kalt ist, kein Mensch will was von einem, und manchmal findet man auch noch etwas zu essen.«
Es gab tatsächlich noch ein paar späte Erbsen, die Henrietta roh aß, Gerda aber nicht besonders mochte. Sie war allerdings froh, dass sie von Lucy weg war. Sie fand sie beängstigender denn je.
Bei der Unterhaltung mit Henrietta wurde Gerda wieder lebhafter. Henrietta fragte meistens Sachen, auf die Gerda Antworten wusste. Und so fühlte sie sich schon nach zehn Minuten viel wohler und kam auf den Gedanken, dass das Wochenende womöglich doch nicht so schlimm werden würde.
Zena ging jetzt zur Ballettschule und hatte gerade ein neues Kleid bekommen, wie Gerda ausführlich berichtete. Auch dass sie eine sehr schicke neue Lederwerkstatt entdeckt hatte. Henrietta erkundigte sich, ob es schwer sei, sich eine Handtasche selbst zu machen – das müsse Gerda ihr zeigen.
Dafür zu sorgen, dass Gerda glücklich aussah, war doch wirklich ganz leicht, dachte Henrietta, und es war ein Unterschied wie Tag und Nacht, wenn sie glücklich aussah! Sie will sich einfach nur zusammenrollen und schnurren dürfen, überlegte sie.
Sie saßen entspannt und zufrieden auf der Umrandung der Gurkenbeete, und die Sonne gab, obwohl sie jetzt schon tief stand, dem Ganzen einen Hauch von Sommertag.
Doch plötzlich herrschte Schweigen. Aus Gerdas Gesicht wich alle Gemütsruhe, die Schultern sanken ihr herab, sie saß einfach da – ein Bild des Jammers. Sie fuhr buchstäblich hoch, als Henrietta wieder etwas sagte.
»Warum kommst du eigentlich, wenn du es so hasst?«
Gerda beeilte sich zu beteuern: »O nein, das tue ich doch nicht! Ich meine, ich weiß gar nicht, wie kommst du denn – « Sie stockte, dann fuhr sie fort. »Es ist wirklich entzückend, aus London herauszukommen, und Lady Angkatell ist ja auch so freundlich.«
»Lucy freundlich? Aber ganz und gar nicht.«
Gerda sah leicht schockiert drein. »O doch, und wie. Zu mir ist sie immer sehr freundlich.«
»Lucy hat gute Manieren und kann reizend sein. Aber eigentlich ist sie ziemlich grausam. Weil sie, glaube ich, irgendwie nicht ganz menschlich ist – sie weiß einfach nicht, wie normale Menschen fühlen und denken. Und du, Gerda, du hasst es doch eigentlich hier zu sein! Das weißt du doch selbst. Also warum kommst du, wenn das so ist?«
»Na ja, weißt du, John ist so gern – «
»O ja, John ist gern hier. Aber du
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