Das Eulenhaus
brachte die Streichhölzer auf einem Silbertablett.
Lady Angkatell deutete auf Veronica Cray, und er trug das Tablett zu ihr.
»O liebe Lady Angkatell, doch nicht alle!«
Lucy antwortete mit einer huldvoll wegwerfenden Handbewegung. »Es ist immer so verdrießlich, wenn man nur ein Exemplar von allem hat. Wir können sie mühelos erübrigen.«
»Und wie gefällt Ihnen ›Dovecotes‹?«, erkundigte sich Sir Henry freundlich.
»Ich bete es an. Es ist so wunderschön hier, so nahe bei London, und trotzdem fühlt man sich so wunderbar weit weg.« Veronica stellte das Glas ab und zog die Silberfüchse fester um die Schultern. Wieder lächelte sie in die Runde. »Ganz allerherzlichsten Dank! Das ist so lieb von Ihnen!«
Die Worte schwirrten zwischen Sir Henry, Lady Angkatell und aus irgendeinem Grund Edward hin und her. »Jetzt will ich meine Beute heimtragen. Ach, John«, sagte sie mit einem freundlichen, ungekünstelten Lächeln, »du musst mich sicher zurückgeleiten. Ich bin schrecklich neugierig zu erfahren, was du in all den Jahren, seit ich dich nicht mehr gesehen habe, so getrieben hast. Also, ich fühle mich ja plötzlich – alt.«
Sie ging zur Terrassentür. John folgte ihr. Sie warf zum Abschied allen ein strahlendes Lächeln zu.
»Es tut mir schrecklich leid, Lady Angkatell, dass ich Sie mit dieser dummen Sache belästigt habe. Danke vielmals.«
Und weg war sie mit John.
Sir Henry sah ihnen von der Tür aus nach. »Recht schön warm, der Abend«, befand er.
Lady Angkatell gähnte. »Ach, mein Lieber«, murmelte sie, »wir sollten zu Bett gehen. Henry, wir müssen unbedingt mal einen ihrer Filme ansehen. Seit heute Abend bin ich sicher, dass sie wunderbar spielt.«
Alle gingen nach oben.
Beim Verabschieden fragte Midge: »Was meinst du mit wunderbar spielen, Lucy?«
»Fandest du nicht, Schatz?«
»Besteht die leise Möglichkeit, dass du denkst, sie hatte durchaus das eine oder andere Streichholz in ›Dovecotes‹?«
»Schachteln im Dutzend, da bin ich sicher, Schatz. Aber wir wollen nicht kleinherzig sein. Und der Auftritt war wirklich glänzend!«
Auf dem Korridor war Türklappern und Gute-Nacht-Gemurmel zu hören. Sir Henry sagte, bevor er sich zurückzog: »Ich lasse die Terrassentür offen für Christow.«
Henrietta verabschiedete sich von Gerda mit der Bemerkung: »Schauspielerinnen sind aber wirklich drollig. Die Auftritte und Abgänge, die die so hinlegen!« Dann gähnte sie. »Ich bin schrecklich müde.«
Draußen streifte Veronica Cray den engen Weg durch die Kastanien entlang. Bald stand sie vor der kleinen Lichtung um das Schwimmbecken herum. Dort stand auch ein Pavillon, in dem die Angkatells gern saßen, wenn die Sonne zwar schien, aber der Wind schon kühl war.
Sie blieb stehen. Dann drehte sie sich um und sah John Christow ins Gesicht. Und plötzlich fing sie an zu lachen. Sie deutete mit großer Geste auf das Schwimmbecken, das mit Laub bedeckt war, und sagte: »Das Mittelmeer ist es nicht gerade, was, John?«
Und er wusste im selben Augenblick, auf was er gewartet hatte – wusste, dass Veronica in den ganzen fünfzehn Jahren seit ihrer Trennung immer bei ihm gewesen war. Das blaue Meer, Mimosenduft, der heiße Staub – sie waren nur weggeschoben, aus dem Blick gedrängt, aber nie wirklich vergessen. Sie bedeuteten alle dasselbe – Veronica. In diesem Augenblick war er wieder ein junger Mann, vierundzwanzig Jahre alt und zum Verzweifeln, zum Sterben verliebt. Und diesmal würde er nicht weglaufen.
9
J ohn Christow trat aus dem Kastanienwäldchen auf den abschüssigen Rasen vor dem Haus. Der Mond schien hell, und das Haus mit seinen unschuldigen, gardinenverhangenen Fenstern schien sich im Mondlicht zu wärmen.
Er sah auf seine Armbanduhr. Drei Uhr. Er holte tief Luft und bekam ein besorgtes Gesicht. Er war jetzt nicht mal mehr im Entferntesten ein verliebter junger Mann von vierundzwanzig Jahren. Er war ein scharfsinniger, praktisch denkender Mann von knapp vierzig, und sein Kopf war klar und nüchtern.
Natürlich war das idiotisch gewesen, verdammt und vollkommen idiotisch, aber bereuen tat er es nicht! Denn jetzt war er, wie er feststellte, endlich wirklich Herr seiner selbst. Es war, als hätte er jahrelang einen schweren Klotz am Bein gehabt – und der war jetzt weg. Er war frei.
Er war frei und endlich er selbst, John Christow – und er wusste, dass dem erfolgreichen Facharzt von der Harley Street eine Veronica Cray nicht das Geringste bedeutete. All
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