Das Eulenhaus
zu: »Es war vielleicht ein bisschen zu auffällig. Aber wie unsympathisch, beim Spiel gewinnen zu wollen!«
»Du meinst, du wolltest Gerda den Rubber gewinnen lassen? Aus lauter Drang, Leuten Freude zu machen, überspringst du wohl auch die Grenze zum Betrug.«
»Wie hässlich du so etwas formulierst! Und wie Recht du meistens hast.«
»Mein Partner schien deinen Drang ja zu teilen.«
Also hatte er es auch gemerkt, dachte Henrietta. Sie war nicht sicher gewesen, ob sie sich geirrt hatte. Edward war so geschickt – man hätte ihm nichts nachweisen können. Einmal ein Fehler bei der Ansage. Dann ein Ausspiel, das logisch und eindeutig war – wo aber ein nicht ganz so eindeutiges auch zum Erfolg geführt hätte.
Henrietta war besorgt. Edward würde nie extra so spielen, dass sie gewann, das wusste sie genau. Er war dem englischen Sportsgeist viel zu sehr verpflichtet. Nein, schloss sie, Edward hätte nur nicht noch einen Erfolg von John ertragen.
Es versetzte sie jäh in Alarmzustand. Sie fand Lucys Party gar nicht mehr gut.
Und dann platzte – mit dem dramatischen Überraschungseffekt und der Unwirklichkeit eines Bühnenauftritts – Veronica Cray in den Salon.
Die Flügeltür zur Terrasse war nicht verschlossen, sondern wegen der abendlichen Wärme nur angelehnt. Veronica stieß sie weit auf, trat auf die Schwelle und blieb wie ein eingerahmtes Bild stehen – mit einem ganz leicht mitleidheischenden Lächeln, ganz und gar bezaubernd vor dem Nachthimmel. Bevor sie sprach, ließ sie genau den Sekundenbruchteil vergehen, der ihr die Aufmerksamkeit aller sicherte.
»Bitte sehen Sie es mir nach, dass ich hier so hereinplatze. Ich bin Ihre Nachbarin, Lady Angkatell – ich wohne nebenan in diesem albernen Cottage namens ›Dovecotes‹. Und mir ist die schauderhafteste Katastrophe passiert!« Ihr Lächeln wurde breiter – irgendwie humorvoller. »Kein Streichholz! Kein einziges Streichholz im Haus! Und Samstagabend. Ich könnte mich ohrfeigen. Was soll ich nur tun? So kam ich hierher – um meine einzigen Nachbarn im Umkreis von Kilometern um Hilfe zu ersuchen.«
Einen Moment lang blieben alle stumm. Veronica konnte diese Wirkung erzielen. Sie war eine Schönheit – keine in sich ruhende, auch keine betörende Schönheit, aber doch so wirkungsvoll, dass es einem den Atem verschlug! Ihre helle schimmernde Haarpracht, der geschwungene Mund – die Silberfüchse, die ihre Schultern verhüllten, und die fließende Linie aus weißem Samt darunter.
Sie sah alle nacheinander an, heiter, charmant! »Und ich rauche doch wie ein Schlot!«, sagte sie. »Und mein Feuerzeug geht auch nicht! Ganz abgesehen davon, morgen das Frühstück – der Gasherd – « Sie streckte bühnenreif die Hände vor. »Ich komme mir vor wie der reine Tollpatsch.«
Lucy ging anmutig und leicht amüsiert zu ihr. »I wo, natürlich – «, wollte sie anfangen.
Aber Veronica unterbrach sie. Ihr Blick war auf John Christow gefallen. Ihr Gesicht nahm den Ausdruck äußerster Erstauntheit und ungläubiger Freude an. Sie trat mit ausgestreckten Händen einen Schritt auf ihn zu. »Nein – aber ja, doch, John! Es ist John Christow! Aber ist das nicht ein unwahrscheinlicher Zufall! Seit Jahrhunderten habe ich dich nicht mehr gesehen – und jetzt plötzlich bist du hier!«
Sie hatte inzwischen seine Hände ergriffen. Sie war nur dahinschmelzende Aufgeregtheit. Sie sah halb zu Lady Angkatell. »Also, das ist die allerwunderbarste Überraschung. John ist ein uralter Freund von mir. Das heißt – er ist der erste Mann, den ich je geliebt! Ich war verrückt nach dir, John.«
Sie lachte jetzt fast – sie gab eine Frau, die plötzlich gerührt an ihre erste Liebe erinnert wird. »Für mich war John einfach immer wunderbar!«
Der wohl erzogene und höfliche Sir Henry fand, dass Veronica einen Drink brauchte, und ging mit Gläsern und Flaschen zu ihr.
»Midge, Liebes, würdest du klingeln?«, bat Lady Angkatell.
Gudgeon kam.
»Eine Schachtel Streichhölzer – das heißt, hat die Köchin auch genug?«, gab sie in Auftrag.
»Heute ist ein neues Dutzend gekommen, Mylady.«
»Dann bringen Sie ein halbes Dutzend, Gudgeon.«
»Aber nicht doch, Lady Angkatell – eine reicht!«, protestierte Veronica lachend. Dann drehte sie sich mit dem Drink in der Hand prostend zu allen um.
John Christow sagte: »Das hier ist meine Frau, Veronica.«
»Nein, wie entzückend, sie kennen zu lernen.« Veronica überstrahlte Gerdas fassungslose Miene.
Gudgeon
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