Das Eulenhaus
Hand.
»Madame – zu Ihren Diensten.«
Lady Angkatell rang dramatisch die Hände und riss ihre schönen Augen weit auf. »Ach, das ist ja wirklich alles nicht so leicht. Dieser Inspektor befragt, nein: verhört – vernimmt? Wie nennen die das noch gleich? Jedenfalls Gudgeon. Und von Gudgeon hängt hier doch praktisch das ganze Leben ab, deshalb fühlt man natürlich mit ihm. Für ihn ist das doch ganz furchtbar, von der Polizei verhört…, selbst wenn Inspektor Grange es persönlich macht, den ich wirklich sehr nett finde, das ist bestimmt ein Familienmensch – Söhne, möchte ich wetten, mit denen spielt er abends bestimmt mit dem Meccano-Baukasten – und seine Frau sorgt dafür, dass alles pieksauber ist, allerdings einen Tick zu voll gestellt…«
Hercule Poirot zwinkerte mit den Augen, während Lady Angkatell ihre Vorstellung von Inspektor Granges Familienleben skizzierte.
»Übrigens hängt sein Schnurrbart nach unten«, fuhr sie fort. »Ich finde ja, manchmal kann ein zu pieksauberes Zuhause auch deprimierend sein – wie Seife im Gesicht von Krankenschwestern. Alles blitzblank! Gilt aber heutzutage wohl mehr für Landkrankenhäuser, da ist ja alles ein bisschen zurück – in London tragen die wohl schon Puder in Mengen auf und richtig grelle Lippenstifte. Aber was ich sagen wollte, Monsieur Poirot – Sie müssen unbedingt noch einmal richtig zum Mittagessen kommen, wenn die Albernheiten hier beendet sind.«
»Sie sind sehr freundlich.«
»Ich persönlich habe ja nichts gegen die Polizei«, sagte Lady Angkatell. »Ich finde das Ganze sogar recht interessant. Ich habe auch zu Inspektor Grange gesagt: ›Ich möchte Ihnen unbedingt in jeder Beziehung behilflich sein.‹ Er wirkt eher ein bisschen konfus, aber trotzdem systematisch. Für die Polizei sind offenbar Motive immer sehr wichtig. Ach, apropos Krankenschwestern – ich glaube, John Christow, na ja, da war so eine Krankenschwester, eine rothaarige mit Stupsnase, recht attraktiv. Aber das ist natürlich sehr lange her und interessiert die Polizei eventuell nicht. Man weiß ja wirklich gar nicht, was die arme Gerda alles erduldet hat. So treu und loyal, finden Sie nicht? Aber vielleicht glaubt sie auch einfach immer, was man ihr sagt. Ich finde, wenn jemand nicht übermäßig intelligent ist, ist das auch das Klügste.«
Ohne Vorwarnung riss Lady Angkatell die Tür zum Zimmer von Sir Henry auf und schob Poirot mit dem fröhlichen Ruf: »Hier ist Monsieur Poirot!« hinein. Dann sauste sie wieder hinaus und schloss die Tür. Inspektor Grange und Gudgeon saßen neben dem Schreibtisch, und in einer Ecke saß ein junger Mann mit Notizheft. Gudgeon sprang sofort respektvoll auf.
Poirot bat augenblicklich um Entschuldigung. »Ich ziehe mich natürlich zurück. Ich versichere Ihnen, ich hatte keine Ahnung, dass Lady Angkatell – «
»Nein, nein, müssen Sie nicht.« Granges Schnurrbart sah an diesem Morgen noch pessimistischer aus als sonst. Vielleicht, dachte Poirot, fasziniert von Lady Angkatells Skizze vor ein paar Minuten, war doch zu viel Hausputz, oder womöglich wurde ein indischer Messingtisch angeschafft, und der gute Inspektor kann nirgends mehr hintreten.
Ärgerlich wischte er den Gedanken weg. Inspektor Granges sauberes, aber vollgestopftes Heim inklusive Frau, Söhnen und deren Begeisterung für Stabilbaukästen waren einfach Fantasmen aus Lady Angkatells geschäftigem Gehirn.
Aber mit welcher Lebhaftigkeit sie konkret und wirklich wurden, fand er interessant. Eine bemerkenswerte Begabung.
»Setzen Sie sich, Monsieur Poirot«, sagte Grange. »Ich habe ein, zwei Fragen an Sie, und wir sind hier gleich fertig.«
Er wandte sich wieder Gudgeon zu, der mit vielen Verbeugungen und fast unter Protest wieder Platz genommen hatte und seinem Gesprächspartner eine ausdruckslose Miene zeigte.
»Und sonst erinnern Sie sich an nichts?«
»Nein, Sir. Es war alles eigentlich wie üblich, Sir. Keinerlei Unannehmlichkeit.«
»Dieses Pelzdings da – draußen im Sommerhäuschen bei dem Schwimmbecken, welcher der Damen gehört das?«
»Denken Sie an das Cape aus Silberfuchs, Sir? Ich habe es gestern bemerkt, als ich die Gläser in den Pavillon brachte. Es befindet sich im Besitz von niemandem in diesem Haus, Sir.«
»Wem gehört es dann?«
»Es besteht die Möglichkeit, dass es Miss Cray gehört, Sir. Miss Veronica Cray, der Filmschauspielerin. Sie trug etwas Derartiges.«
»Wann?«
»Als sie hier war, Sir, vorgestern Abend.«
»Sie hatten
Weitere Kostenlose Bücher