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Das Eulenhaus

Das Eulenhaus

Titel: Das Eulenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Gelangweilt? Angeekelt? Süffisant?
    Er versuchte gerade, gedanklich mit all solchen Problemen fertigzuwerden, und war alles andere als erfreut, dass Midge ihn dabei störte. Er sah beklommen zu, wie sie sich neben ihn setzte.
    Der abschätzende Blick, mit dem sie seinen Blick erwiderte, verwirrte ihn auch. Ein unerfreuliches Mädchen, ohne jeden intellektuellen Wert.
    »Na, wie findest du deine Verwandten?«, fragte sie.
    David zuckte die Schultern. »Macht man sich über Verwandte wirklich Gedanken?«
    »Macht man sich überhaupt Gedanken über irgendetwas?«
    Sie mit Sicherheit nicht, dachte David. Laut sagte er fast huldvoll: »Ich analysierte eben meine Reaktion auf Mord.«
    »Ja, es ist wirklich komisch«, sagte Midge, »in einem mit drinzustecken.«
    David seufzte. »Lästig.« Ja, das ging als Haltung. »All die Klischees, von denen man dachte, sie kommen nur in Kriminalromanen vor!«
    »Du bereust bestimmt schon, dass du da bist«, sagte Midge.
    David seufzte wieder. »Ja, ich hätte die Zeit mit einem Freund in London verbringen können. Er besitzt eine Buchhandlung, er ist links.«
    »Hier ist es aber sicher komfortabler«, sagte Midge.
    »Ist es wirklich wichtig, ob man es komfortabel hat?«, fragte David verächtlich.
    »Es gibt Momente«, antwortete Midge, »da habe ich das Gefühl, dass alles andere unwichtig ist.«
    »Ach, die verzärtelte Lebenseinstellung«, sagte David, »wenn du für dein Geld arbeiten müsstest – «
    »Ich muss arbeiten«, fiel Midge ihm ins Wort. »Deshalb finde ich Komfort ja so attraktiv. Gute Betten, Daunenkissen – den Morgentee leise neben das Bett gestellt bekommen – ein gekacheltes Bad und jede Menge heißes Wasser – und köstliche Badesalze. Auch die Sessel, in denen man buchstäblich versinkt…«Midge hielt inne mit ihrer Liste.
    »All solche Dinge«, konterte David, »müsste die Arbeiterklasse haben.«
    Was den leise servierten Morgentee anging, war er sich allerdings nicht ganz sicher. Der klang ihm doch zu sehr nach Verweichlichung für eine emsige, durchorganisierte Welt.
    »Ich bin völlig deiner Meinung«, sagte Midge herzhaft.

15
     
    H ercule Poirot wurde beim Genuss einer Tasse Schokolade am späten Vormittag vom Klingeln des Telefons unterbrochen. Er stand auf und nahm ab: »Allô?«
    »Monsieur Poirot?«
    »Lady Angkatell?«
    »Wie nett, dass Sie meine Stimme erkannt haben! Störe ich Sie gerade?«
    »Aber ganz und gar nicht. Und ich hoffe, es geht Ihnen gut, trotz der betrüblichen Ereignisse gestern?«
    »Doch, ja. Betrüblich, wie Sie sagen, aber man fühlt sich doch nicht wirklich betroffen. Ich rufe an, weil ich gern wüsste, ob Sie eventuell herüberkommen könnten – ich weiß, eine dreiste Frage, aber ich bin wirklich in einer schlimmen Situation.«
    »Aber gewiss, Lady Angkatell. Meinten Sie jetzt gleich?«
    »Nun – ja, das meinte ich. So schnell Sie können. Wie lieb von Ihnen.«
    »Aber nicht doch. Dann komme ich durch den Wald, ja?«
    »Ach, ja natürlich – auf dem kürzesten Weg. Ganz herzlichen Dank, lieber Monsieur Poirot.«
    Er nahm sich nur kurz Zeit, ein paar Staubkörnchen von den Rockaufschlägen zu bürsten und einen dünnen Mantel überzuwerfen. Dann überquerte er die kleine Straße und eilte den Weg durch die Kastanienschonung entlang. Das Schwimmbecken lag menschenleer da – die Polizei war mit den Ermittlungen dort fertig und wieder weg. Im weichen, dunstigen Herbstlicht sah es harmlos und friedlich aus.
    Poirot warf rasch einen Blick in den Pavillon. Das Silberfuchscape war nicht mehr da, wie er bemerkte. Aber die sechs Streichholzschachteln standen noch immer auf dem Beistelltischchen. Die Streichhölzer fand er erstaunlicher denn je. »Das ist kein Ort, an dem man Streichhölzer lagert – in dieser Feuchtigkeit. Eine Schachtel für alle Fälle vielleicht – aber doch nicht sechs.«
    Stirnrunzelnd sah er hinunter auf den lackierten Eisentisch. Das Tablett mit den Gläsern war weggeräumt. Und jemand hatte mit einem Stift auf dem Tisch herumgemalt – einen unheimlichen Baum, rasch hingekritzelt. Er tat Hercule Poirot richtig weh. Er kränkte seinen Sinn für Ordnung und Sauberkeit.
    Er schnalzte mit der Zunge, schüttelte den Kopf und eilte weiter in Richtung des Hauses, neugierig, warum man ihn so dringlich gerufen hatte.
    Lady Angkatell erwartete ihn bereits an der Terrassentür und zog ihn sofort in den leeren Salon. »Das ist wirklich ganz reizend von Ihnen, Monsieur Poirot.« Sie drückte ihm herzhaft die

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