Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Eulenhaus

Das Eulenhaus

Titel: Das Eulenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
zurückgebracht haben, aber nicht in das Arbeitszimmer, sondern zu Lady Angkatell. Das gesamte Personal schien doch total vernarrt in diese verdammte Frau.
    Angenommen, sie hatte John Christow in Wirklichkeit erschossen – aber wieso hätte sie das tun sollen? Er sah kein Motiv. Trotzdem, würden sie dann auch noch zu ihr halten und für sie lügen? Er hatte das unangenehme Gefühl, dass sie genau das tun würden.
    Und jetzt diese Fantasiegeschichte, von wegen sie könne sich nicht erinnern – sie war mit Sicherheit imstande, sich etwas Besseres auszudenken. Sie wirkte auch völlig ungekünstelt dabei – nicht im Geringsten peinlich berührt oder ängstlich. Verdammt und zugenäht, sie machte den Eindruck, als ob sie die reine Wahrheit sagte.
    Er stand auf. »Wenn Ihnen noch ein bisschen mehr wieder einfällt, Lady Angkatell«, sagte er trocken, »dann erzählen Sie es mir vielleicht bei Gelegenheit.«
    »Aber selbstverständlich, Herr Inspektor«, antwortete sie. »Manchmal fallen einem ja ganz plötzlich so Sachen ein.«
    Grange verließ das Arbeitszimmer. Draußen im Flur steckte er einen Finger zwischen Hals und Hemdkragen und holte tief Luft.
    Er kam sich vor wie in einem Haufen Watte verfangen. Was er jetzt brauchte, war seine älteste, versuppteste Pfeife, einen halben Liter Ale und ein ordentliches Steak mit Chips. Irgendetwas Bodenständiges, Konkretes.

21
     
    L ady Angkatell huschte durch das Arbeitszimmer und fuhr zerstreut mit dem Finger über dies und das. Sir Henry hatte sich in seinem Sessel zurückgelehnt und sah ihr zu.
    »Warum hast du die Pistole genommen, Lucy?«, fragt er schließlich.
    Lady Angkatell kam wieder zu ihm und ließ sich graziös in einen Sessel sinken. »Ich bin wirklich nicht sicher, Henry. Ich nehme an, ich hatte irgendeine vage Idee in Bezug auf einen Unfall.«
    »Einen Unfall?«
    »Ja. Nämlich, diese ganzen Baumwurzeln da«, fuhr Lady Angkatell unkonzentriert fort, »die stehen doch so raus – da kann man so leicht stolpern. Und man könnte doch ein paar Kugeln auf die Zielscheibe abgeben, aber eine steckt noch im Magazin – aus lauter Leichtsinn natürlich… aber die Leute sind nun mal leichtsinnig. Ich habe ja immer schon gedacht, so ein Unfall wäre die einfachste Lösung dafür. Natürlich würde einem das wahnsinnig leidtun, man würde sich Vorwürfe machen…« Sie verstummte.
    Ihr Mann saß still da und ließ sie nicht aus den Augen. Dann fragte er, wieder auf seine ruhige, vorsichtige Art: »Wer hätte den denn haben sollen, diesen – Unfall?«
    Lucy drehte ganz leicht den Kopf und sah ihn verblüfft an. »John Christow natürlich.«
    »Du lieber Gott, Lucy – « Weiter kam er nicht.
    Sie erläuterte in vollem Ernst: »Ach, Henry, ich habe mir einfach so furchtbare Sorgen gemacht. Wegen ›Ainswick‹.«
    »Ah ja. ›Ainswick‹ also. Lucy, du hast dir immer viel zu viel aus ›Ainswick‹ gemacht. Manchmal glaube ich, das ist überhaupt das Einzige, woraus du dir etwas machst.«
    »Edward und David sind doch die letzten – die letzten Angkatells. Und David kann das nicht, Henry. Der heiratet ja nie, wegen seiner Mutter und der ganzen Sache. Der kriegt das Anwesen aber, wenn Edward stirbt, und bleibt unverheiratet, und du und ich, wir sind bestimmt schon lange tot, bevor der auch nur mittelalt ist. Und dann ist er der letzte der Angkatells, und damit stirbt alles aus.«
    »Ist das denn so wichtig, Lucy?«
    »Selbstverständlich ist das wichtig! Es geht um ›Ainswick‹!«
    »Du hättest ein Junge werden sollen, Lucy.« Er musste lächeln – er konnte sich Lucy als irgendetwas anderes als weiblich einfach nicht vorstellen.
    »Alles hängt davon ab, ob Edward heiratet – aber Edward ist so dickköpfig… Der hat diesen langen Kopf, genau wie mein Vater. Ich hatte ja gehofft, dass er über Henrietta wegkommt und irgendein nettes Mädchen heiratet – aber ich habe eingesehen, dass das hoffnungslos ist. Dann habe ich gedacht, dass Henriettas Affäre mit John den üblichen Verlauf nimmt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass John eine dauerhafte Affäre hat. Aber dann habe ich gesehen, wie er sie Freitagabend angeguckt hat. Er hing wirklich an ihr. Das heißt, ich hatte das Gefühl, Henrietta würde Edward nur heiraten, wenn John aus dem Weg wäre. Denn zu den Leuten, die sich der Erinnerung hingeben und in der Vergangenheit leben, gehört sie ja auch nicht. Na ja, und so kam das zu Stande – John Christow muss weg.«
    »Lucy. Du hast doch nicht – was hast du

Weitere Kostenlose Bücher