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Das Eulenhaus

Das Eulenhaus

Titel: Das Eulenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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eigentlich nicht zu.
    Henrietta hatte ein Lächeln grimmiger Entschlossenheit um den Mund. »Guck mal hinter dich, Midge«, sagte sie. »Siehst du den Wagen da hinten?«
    »Ja, und?«
    »Das ist ein Ventnor 10.«
    »Ja?« Midge fand das nicht besonders interessant.
    »Das sind nützliche kleine Autos, die wenig Benzin verbrauchen und gut auf der Straße liegen, aber schnell sind die nicht.«
    »Nein?« Komisch, wie sehr Autos und deren Leistung Henrietta faszinierten, dachte Midge.
    »Wie gesagt, schnell sind die nicht – aber der Wagen hinter uns hat die ganze Zeit denselben Abstand gehalten, Midge, dabei fahren wir über achtzig.«
    Midge sah sie verwirrt an. »Meinst du etwa, das – «
    Henrietta nickte. »Polizisten haben, glaube ich, Spezialmotoren in äußerlich ganz gewöhnlichen Autos.«
    »Du meinst«, fragte Midge, »die haben uns alle noch immer unter Beobachtung?«
    »Sieht ganz danach aus.«
    Midge schauderte. »Henrietta – verstehst du eigentlich, was es mit dieser zweiten Waffe auf sich hat?«
    »Nein, nur dass Gerda damit aus dem Spiel ist. Aber darüber hinaus wüsste ich auch nicht, wohin das führt.«
    »Aber wenn es eine von Henrys Waffen war – «
    »Das wissen wir aber noch nicht. Sie ist bekanntlich noch nicht gefunden worden.«
    »Nein, das stimmt. Es könnte doch überhaupt jemand von außen gewesen sein. Weißt du, wen ich am liebsten sähe als Johns Mörder, Henrietta? Diese Frau da.«
    »Veronica Cray?«
    »Ja.«
    Henrietta antwortete nicht, sondern fuhr weiter mit sturem Blick auf die Straße vor sich.
    »Hältst du das für unmöglich?«, bohrte Midge weiter.
    »Möglich wäre es schon«, sagte Henrietta langsam.
    »Aber du glaubst nicht – «
    »Es ist nie gut, etwas nur deshalb zu glauben, weil man es glauben will. Es wäre natürlich die sauberste Lösung – wir wären damit alle aus dem Spiel!«
    »Wieso wir alle?«
    »Weil wir mit drinhängen – wir alle. Auch du, Midge, mein Schatz – obwohl die viel zu tun hätten, wenn sie bei dir ein Motiv finden wollten, John zu erschießen. Selbstverständlich hätte ich zu gern, dass es Veronica war. Ich hätte größten Spaß, wenn ich mir ihren, wie Lucy das nennen würde, grandiosen Auftritt vor den Schranken des Gerichts ansehen dürfte!«
    Midge warf ihr einen kurzen Blick zu. »Sag mal, Henrietta, macht dir das alles keine Rachegefühle?«
    »Du meinst – «, Henrietta hielt einen Moment inne, »– weil ich John geliebt habe?«
    »Ja.«
    Noch als sie es aussprach, fiel Midge zu ihrem leisen Erschrecken auf, dass diese schlichte Tatsache zum allerersten Mal in Worte gefasst worden war. Zwar hatte alle – Lucy, Henry, Midge, sogar Edward irgendwie akzeptiert, dass Henrietta John Christow liebte, aber in Worten hatten alle bestenfalls Andeutungen darüber gemacht.
    Es entstand eine Pause, weil Henrietta offenbar nachdachte.
    »Ich kann dir nicht erklären, was ich fühle«, sagte sie schließlich. »Vielleicht weiß ich es selbst nicht.«
    Sie fuhren jetzt über die Albert Bridge.
    »Komm doch noch mit in mein Atelier, Midge«, sagte Henrietta, »wir machen uns Tee, und ich fahre dich hinterher in deine Hütte.«
    In London war das wenige Nachmittagslicht schon fast weg. Sie fuhren direkt vor das Atelier. Henrietta schob den Schlüssel in die Tür, ging hinein und schaltete das Licht an.
    »Ziemlich klamm hier«, sagte sie. »Wir machen den Gasofen an. Ach, Mist – ich wollte unterwegs Streichhölzer kaufen.«
    »Warum nimmst du kein Feuerzeug?«
    »Meins taugt nichts. Außerdem kriegt man den Gasofen sowieso nur schwer damit an. Mach’s dir schon mal bequem. An der Ecke steht ein alter Blinder, bei dem hole ich mir immer die Streichhölzer. Bin in zwei Minuten wieder da.«
    In den paar Minuten allein wanderte Midge durch Henriettas Atelier und betrachtete ihre Werke. Es war ihr ein bisschen unheimlich, nur mit diesen Geschöpfen aus Holz und Bronze in einem Raum zu sein.
    Ein Bronzekopf stand da, mit hohen Wangenknochen und einer Kopfbedeckung aus Blech, vielleicht ein Soldat der Roten Armee. Und da war ein luftiges Gebilde aus gedrehten Aluminiumbändern, das sie sehr faszinierend fand. Und da, ein riesiger, sitzender Frosch aus schmutzig-rosa Granit. Ganz hinten im Atelier stand sie plötzlich vor einer fast lebensgroßen Holzfigur.
    In deren Anblick war sie versunken, als sich der Schlüssel in der Tür drehte und Henrietta leicht außer Atem wieder hereinkam. Midge drehte sich um. »Was ist denn das, Henrietta? Das macht

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