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Das Eulenhaus

Das Eulenhaus

Titel: Das Eulenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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einem ja fast Angst.«
    »Das? Das ist ›Die Anbeterin‹. Die geht in die Ausstellung der International Group.«
    Midge starrte die Figur wieder an und sagte noch einmal: »Die macht einem Angst.«
    Henrietta kniete sich hin, um den Gasofen anzuzünden, und sagte über die Schulter. »Interessant, dass du das sagst. Warum findest du denn, dass sie Angst macht?«
    »Ich glaube, weil – sie gar kein Gesicht hat.«
    »Du hast völlig Recht, Midge.«
    »Aber sie ist sehr gut, Henrietta.«
    »Ja, ein ganz hübscher Klotz Birnenholz«, sagte Henrietta leichthin. Dann stand sie wieder auf, schmiss ihre große ranzenförmige Handtasche und den Pelzmantel auf den Diwan und ein paar Streichholzschachteln auf den Tisch.
    Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war ein Schock für Midge – Henrietta hatte plötzlich etwas unerklärlich Frohlockendes.
    »So, und nun zum Tee«, sagte sie jetzt, und ihre Stimme klang ebenso warm und frohlockend, wie Midge ihre Miene gerade vorgekommen war.
    Midge empfand es wie einen Misston. – Aber sie vergaß es gleich wieder über dem Strom von Gedanken, den der Anblick der beiden Streichholzschachteln auslöste. »Weißt du noch, die Streichhölzer, die Veronica Cray mitgenommen hat?«
    »Als Lucy darauf bestand, dass sie gleich ein halbes Dutzend aufgebrummt kriegt? Ja.«
    »Hat eigentlich mal jemand nachgeguckt, ob die nicht die ganze Zeit Streichhölzer im Haus hatte?«
    »Ich nehme an, die Polizei hat das getan. Sie sind ja sehr gründlich.« Ein leise triumphierendes Lächeln umspielte Henriettas Lippen dabei.
    Midge war verwirrt, fast abgestoßen. Hat sich Henrietta wirklich etwas gemacht aus John?, fragte sie sich. Das kann sie doch gar nicht.
    Ein feiner kühler Hauch der Verzweiflung durchfuhr sie, als sie dachte, dass Edward nicht sehr lange würde warten müssen…
    Wie engherzig von ihr, aus dem Gedanken keine Wärme abzuleiten. Sie wollte doch, dass Edward glücklich war, oder etwa nicht? Sie konnte Edward nun mal nicht selbst haben. Sie würde für ihn doch immer nur »die kleine Midge« sein. Mehr nicht. Jedenfalls keine Frau, die man liebt.
    Edward war leider ein treuer Kerl. Tja, und am Ende bekamen ja doch die Treuen immer, was sie wollten.
    Edward und Henrietta in »Ainswick«… so ging diese Geschichte angemessen aus. Und sie lebten glücklich bis ans Ende aller Tage.
    Sie sah es deutlich vor sich.
    »Mach ein fröhliches Gesicht, Midge«, sagte Henrietta. »Du darfst dich von einem Mord doch nicht unterkriegen lassen. Wollen wir nachher ausgehen und was Schickes zu Abend essen?«
    Aber Midge sagte sofort, sie müsse nachhause zurück. Sie habe noch etwas zu tun – Briefe zu schreiben. Eigentlich müsse sie ganz schnell los, sobald sie den Tee ausgetrunken hatte.
    »Na gut. Ich fahre dich hin.«
    »Ich kann doch ein Taxi nehmen.«
    »Unfug. Wir nehmen den Wagen, dafür ist er ja da.«
    Sie traten in die klamme Abendluft hinaus. Als sie am Ende der Ausfahrt ankamen, zeigte Henrietta auf einen am Rand abgestellten Wagen.
    »Ein Ventnor 10. Unser Schatten. Pass mal auf, der wird uns gleich folgen.«
    »Das ist alles so fies!«
    »Findest du? Mir ist das völlig egal.«
    Henrietta setzte Midge bei sich ab, fuhr wieder zurück und stellte ihren Wagen in die Garage. Wieder ging sie ins Atelier.
    Ein paar Minuten lang stand sie am Kamin und trommelte irgendetwas auf dem Sims, dann seufzte sie und murmelte zu sich selbst: »Na dann – an die Arbeit. Wir wollen lieber keine Zeit verlieren.«
    Sie zog die Tweedsachen aus und ihren Overall an.
    Anderthalb Stunden später trat sie einen Schritt zurück und besah sich ihr Werk. Sie hatte Tonerde auf der Wange und zerzauste Haare, aber sie nickte der Figur auf dem Tisch wohl wollend zu.
    Sie hatte vage Ähnlichkeit mit einem Pferd. Die Oberfläche bestand aus ungleichmäßigen, einfach drangeklatschten Lehmklumpen. Bei der Sorte Pferd würde jeder Kavallerieregimentsoberst an den Rand des Schlaganfalls geraten, so wenig erinnerte sie an ein Pferd aus Fleisch und Blut, das mal ein Fohlen gewesen war. Auch Henriettes irische Jägervorfahren wären tief getroffen. Trotzdem war es ein Pferd – eben ein abstrakt dargestelltes Pferd.
    Henrietta überlegte, was wohl Inspektor Grange davon halten würde, falls er es je zu sehen bekäme, und ihr Mund verzog sich zu einem süffisanten Grinsen, als sie sich sein Gesicht vorstellte.

24
     
    Z ögernd stand Edward Angkatell inmitten des Fußgängerstroms auf der Shaftesbury Avenue und versuchte,

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