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Das Eulenhaus

Das Eulenhaus

Titel: Das Eulenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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auch auf den Bridgezettel gezeichnet – einen Baum«, sagte er.
    »Ja.« Henrietta schien plötzlich bewusst zu werden, was sie tat. »Yggdrasil, Monsieur Poirot«, sagte sie lachend.
    »Warum nennen Sie ihn so?«
    Sie erklärte ihm, was es mit Yggdrasil auf sich hatte.
    »Also, wenn Sie so kritzeln – so nennen Sie es, ja? –, dann zeichnen Sie immer Yggdrasil?«
    »Ja. Kritzeln ist doch etwas Komisches, nicht?«
    »Auf der Bank hier… auf dem Bridgezettel am Samstagabend… im Pavillon am Sonntagmorgen…«
    Die Hand mit dem Stift wurde starr und hörte auf zu zeichnen. »Im Pavillon?«, fragte Henrietta mit einem süffisanten Unterton.
    »Ja, auf dem runden eisernen Tisch dort.«
    »Ach ja, das war wohl – Samstagnachmittag.«
    »Es war nicht Samstagnachmittag. Als Gudgeon am Sonntag mittags gegen zwölf Uhr die Gläser in den Pavillon brachte, war noch keine Zeichnung auf dem Tisch. Ich habe ihn befragt, und er ist ganz sicher.«
    »Dann war es wohl – «, sie zögerte einen ganz kleinen Moment, »– ach, natürlich, Sonntagnachmittag.«
    Hercule Poirot lächelte noch immer liebenswürdig, schüttelte aber den Kopf. »Das glaube ich nicht. Granges Männer waren den ganzen Sonntagnachmittag in der Nähe des Schwimmbeckens. Sie haben die Leiche fotografiert, den Revolver aus dem Wasser geborgen, und sie sind erst bei Einbruch der Dunkelheit gegangen. Sie hätten jeden gesehen, der in den Pavillon gegangen wäre.«
    Bedächtig sagte Henrietta: »Jetzt erinnere ich mich. Ich bin spätabends noch einmal da entlangspaziert – nach dem Essen.«
    Poirot konterte barsch: »Im Dunkeln ›kritzelt‹ man nicht vor sich hin, Miss Savernake. Wollen Sie mir erzählen, Sie sind des Nachts in den Pavillon spaziert und haben einen Baum auf den Tisch gezeichnet, ohne dass Sie gesehen haben, was Sie da zeichnen?«
    »Ich habe Ihnen die Wahrheit erzählt«, sagte Henrietta ruhig. »Sie glauben die natürlich nicht. Sie haben Ihre eigenen Vorstellungen. Ach, apropos – was für welche eigentlich?«
    »Ich gehe davon aus, dass Sie am Sonntag nach zwölf Uhr im Pavillon waren, nachdem Gudgeon die Gläser gebracht hatte. Dass Sie am Tisch gestanden und jemanden beobachtet oder auf jemanden gewartet haben und dabei in Gedanken einen Stift genommen und Yggdrasil gezeichnet haben, ohne dass Ihnen das richtig zu Bewusstsein gekommen ist.«
    »Ich war Sonntagmittag nicht in dem Pavillon. Ich habe zuerst eine Weile auf der Terrasse gesessen, dann habe ich den Gartenkorb genommen und bin zu dem Dahlienbeet hinaufgegangen, da habe ich ein paar Blüten abgeschnitten und ein paar von den Strandastern festgebunden, die da herumhingen. Und erst um eins bin ich zum Schwimmbecken hinuntergegangen. Ich habe das alles schon mit Inspektor Grange durchgehechelt. Ich war vor ein Uhr überhaupt nicht in der Nähe des Beckens, erst als gerade auf John geschossen worden war.«
    »Das«, sagte Hercule Poirot, »ist Ihre Geschichte. Yggdrasil, Mademoiselle, spricht dagegen.«
    »Also, ich war im Pavillon und habe John erschossen, meinen Sie das?«
    »Sie waren da, und Sie haben auf Dr. Christow geschossen, ja. Oder Sie waren da, und Sie haben gesehen, wer auf Dr. Christow geschossen hat. Oder – jemand anderes war da, der von Yggdrasil wusste und das Motiv mit Absicht auf den Tisch gezeichnet hat, um den Verdacht auf Sie zu lenken.«
    Henrietta stand auf. Mit trotzig vorgeschobenem Kinn sah sie ihn an. »Sie glauben immer noch, dass ich John Christow erschossen habe. Sie glauben, Sie können beweisen, dass ich ihn erschossen habe. Gut, ich will Ihnen eins sagen: Das werden Sie nie beweisen. Niemals!«
    »Sie glauben, Sie sind klüger als ich?«
    »Sie werden es nie beweisen«, sagte Henrietta nur, drehte sich um und ging den kurvigen Weg zum Schwimmbecken hinunter.

26
     
    G range kam auf eine Tasse Tee zu Hercule Poirot nach »Resthaven«. Der Tee war genau so, wie er ihn sich vorgestellt hatte – extrem dünn und obendrein chinesisch.
    »Diese Ausländer«, dachte Grange, »wissen nicht mal, wie man Tee macht. Sie lernen’s nicht.« Aber er nahm es nicht weiter übel. Er befand sich ohnehin in einem so pessimistischen Zustand, dass ihm jedes weitere unerfreuliche Detail eine Art grimmiger Befriedigung verschaffte.
    »Der neue Termin beim Untersuchungsrichter ist übermorgen«, sagte er, »und wie weit sind wir? Keinen Schritt weiter. Verdammt noch mal, diese Knarre muss doch irgendwo sein! Zur Hölle mit dem Land – nur Quadratkilometer von

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