Das Eulenhaus
Wald. Wenn man die absuchen wollte, brauchte man eine Armee. Die sprichwörtliche Stecknadel im Heuhaufen. Die kann sonst wo sein. Fest steht, wir werden der Tatsache ins Auge sehen müssen – dass wir die Waffe womöglich nie finden.«
»Sie werden sie finden«, sagte Poirot zuversichtlich.
»Tja, Mühe haben wir uns genug gegeben!«
»Sie finden sie, früher oder später. Und ich möchte meinen früher. Noch eine Tasse Tee?«
»Ich hätte nicht dagegen – nein danke, kein heißes Wasser.«
»Ist er nicht zu stark?«
»Aber nein, zu stark ist er nicht.« Es war eine bewusste Untertreibung.
Der Inspektor nippte düster an dem blass-strohgelben Getränk.
»Dieser Fall lässt mich wie ein Trottel aussehen, Monsieur Poirot – wie ein Trottel! Ich komme einfach nicht klar mit diesen Leuten. Die tun so hilfreich – aber was immer sie einem erzählen, scheint einen weit weg und in die Irre zu führen.«
»Weit weg?«, wiederholte Poirot und bekam plötzlich einen verblüfften Blick. »Ach so, ja. Weit weg…«
Der Inspektor erläuterte seinen Verdruss. »Nehmen Sie mal diese Waffe. Auf Christow wurde geschossen, und zwar laut der gerichtsmedizinischen Untersuchung nur ein, zwei Minuten, bevor Sie kamen. Lady Angkatell hatte diesen Eierkorb, Miss Savernake den Gartenkorb voller abgeschnittener Blüten, und Edward Angkatell trug einen weiten Jagdrock mit großen Taschen voller Patronen. Jeder von den dreien hätte den Revolver wegschaffen können. Er war jedenfalls nirgendwo beim Schwimmbecken versteckt – meine Männer haben da alles durchkämmt, das kann man definitiv ausschließen.«
Poirot nickte.
»Jemand hat Gerda Christow eine Falle gestellt – aber wer?«, fuhr Grange fort. »An dem Punkt scheint sich jede Spur, die ich verfolge, in Luft aufzulösen.«
»Die Aussagen, wie sie jeweils den Morgen verbracht haben, sind befriedigend?«
»Die Aussagen sind wohl in Ordnung. Miss Savernake hat gegärtnert. Lady Angkatell hat Eier geholt. Edward Angkatell und Sir Henry waren zuerst zusammen schießen und haben sich am späten Vormittag getrennt – Sir Henry ging ins Haus zurück, und Edward Angkatell kam durch den Wald herunter. Der junge Bursche hat in seinem Zimmer gelesen – ist zwar ein merkwürdiger Ort zum Lesen an so einem schönen Tag, aber er ist wohl ein Bücherwurm und Stubenhocker. Miss Hardcastle hatte ein Buch mit in den Obstgarten genommen. Klingt alles völlig normal und plausibel, aber nachprüfen lässt sich nichts. Gudgeon brachte etwa um zwölf Uhr ein Tablett voll Gläser in den Pavillon. Er weiß nicht, wo die anderen im Einzelnen waren oder was sie taten. Und irgendwie spricht gegen jeden irgendetwas.«
»Tatsächlich?«
»Am augenscheinlichsten natürlich bei dieser Veronica Cray. Sie hatte sich mit Christow gestritten, sie hat ihn bis aufs Blut gehasst, und sie könnte ihn sehr wohl erschossen haben – aber ich finde nicht die kleinste Spur eines Beweises, dass sie das auch getan hat. Keinen Hinweis darauf, dass sie die Gelegenheit gehabt haben könnte, sich den Revolver aus Sir Henrys Sammlung zu besorgen. Niemand hat sie zum Schwimmbecken oder von dort weggehen sehen. Und der fehlende Revolver ist definitiv nicht in ihrem Besitz.«
»Ah, Sie haben sich diesbezüglich vergewissert?«
»Ja, was denken Sie denn? Die Verdachtslage hätte sogar einen Durchsuchungsbefehl gerechtfertigt, aber der war gar nicht nötig. Sie hat uns huldvoll gewähren lassen. Er ist nirgends in dem ganzen komischen Bau. Nach der Verschiebung der Verhandlung haben wir so getan, als ob wir von Miss Cray und Miss Savernake ablassen, und haben uns heimlich drangehängt und beobachtet, wo die so hingehen und was die so tun. Wir hatten auch einen Mann im Filmstudio, der auf Veronica aufgepasst hat – aber kein Hinweis, dass sie die Waffe da versteckt hat.«
»Und Henrietta Savernake?«
»Auch nichts. Sie ist direkt nach Chelsea zurückgefahren, seitdem haben wir sie nicht mehr aus den Augen gelassen. Der Revolver ist weder in ihrem Atelier noch sonst in ihrem Besitz. Auch sie war sehr nett bei der Durchsuchung – schien die amüsant zu finden. Ein paar von ihren Werken waren so verrückt, dass sie einem von unseren Männern einen richtigen Schrecken einjagten. Für ihn ist das nicht zu fassen, sagt er, warum manche Leute so was machen – so Statuen, die nur noch Klumpen und Geschwülste sind, zu schiefen Figuren verdrehte Blech- und Aluminiumstücke und Pferde, die überhaupt nicht nach Pferden
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