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Das Eulenhaus

Das Eulenhaus

Titel: Das Eulenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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mir die Wahrheit zu sagen, Lady Angkatell?«
    Sie nickte.
    »Dann wissen Sie also die Wahrheit?«
    Ihre Augen wurden riesengroß. »Aber ja, ich weiß sie schon sehr lange. Und ich würde sie Ihnen so gern erzählen. Und wir könnten dann beide beschließen, dass – nun ja, dass die Sache damit erledigt ist.« Wieder lächelte sie ihn an. »Ist das ein Geschäft.«
    Poirot musste sich sehr zusammenreißen. »Nein, M a dame, das ist kein Geschäft.« Er hätte so gern, so schrecklich gern, die ganze Sache fallen lassen, einfach weil Lady Angkatell darum bat.
    Lady Angkatell saß einen Augenblick lang ganz still da. Dann zog sie die Augenbrauen hoch. »Ich frage mich«, sagte sie, »ich frage mich, ob Sie eigentlich wissen, was Sie tun.«

28
     
    N och immer wach, lag Midge im Dunkeln in ihrem Bett und wälzte sich ruhelos hin und her. Sie hörte eine Tür aufschnappen und kurz danach Schritte an ihrer eigenen Tür vorbeigehen. Es war Edwards Tür, und es waren Edwards Schritte. Sie knipste die Lampe auf dem Nachttisch an und sah auf die Uhr, die danebenstand. Es war zehn vor drei.
    Dass Edward zu dieser frühen Stunde an ihrer Tür vorbei- und die Treppe hinunterging. Sehr merkwürdig.
    Alle waren früh zu Bett gegangen, schon um halb elf. Midge hatte nicht schlafen können, sondern einfach dagelegen, mit brennenden Lidern und diesem fast wie Fieberschübe kommenden beißenden Elendsgefühl.
    Sie hatte die Standuhr unten schlagen gehört – hatte Eulen draußen vor dem Schlafzimmerfenster schreien gehört. War in die Depression versunken, die morgens um zwei den Tiefpunkt erreicht. Hatte gegrübelt: Das ertrage ich nicht – das ertrage ich nicht. Gleich ist morgen, der nächste Tag – Tag um Tag, und ich muss da durch.
    Sie selbst hatte sich aus »Ainswick« verbannt – verbannt von all der süßen Lieblichkeit von »Ainswick«, das sie, sie persönlich, hätte besitzen können.
    Nein, lieber Verbannung, lieber Einsamkeit, lieber ein fades, uninteressantes Leben als ein Leben mit Edward und Henriettas Geist. Midge hatte bis gestern im Wald nicht gewusst, zu welcher bitteren Eifersucht sie fähig war.
    Und überhaupt hatte Edward ihr noch nie gesagt, dass er sie liebte. Zuneigung, Freundlichkeit ja, aber mehr hatte er ihr nie gezeigt. Sie hatte sich damit begnügt. Sie hatte erst, als ihr klar geworden war, was ein gemeinsames Leben mit einem Edward bedeuten würde, in dessen Herz und Hirn Henrietta als Dauergast wohnte, begriffen, dass ihr Edwards Zuneigung nicht genügte.
    Dass Edward an ihrer Tür vorbei- und die Treppe hinunterging. Sehr merkwürdig – sehr, sehr merkwürdig. Wo wollte er hin?
    Unbehagen stieg in ihr auf. Es gehörte zu dem Unbehagen, das das »Eulenhaus« ihr in letzter Zeit insgesamt verschaffte. Was wollte Edward so früh am Morgen da unten? Ging er aus dem Haus?
    Schließlich hielt sie die Untätigkeit nicht mehr aus. Sie stand auf, zog sich den Morgenrock über, nahm eine Taschenlampe, machte die Tür auf und trat hinaus auf den Gang.
    Das Flurlicht war aus. Midge ging im Dunkeln nach links bis zum Treppenabsatz. Auch unten war alles dunkel. Sie lief die Treppe hinunter und schaltete nach einem kurzen Zögern das Licht in der Halle ein. Alles war still. Die Haustür war verriegelt. Sie lief zum Seiteneingang, aber der war ebenfalls verriegelt.
    Dann war Edward also nicht aus dem Haus gegangen. Aber wo war er sonst?
    Plötzlich riss Midge den Kopf hoch und schnupperte.
    Ein feiner, ganz feiner Gasgeruch.
    Die in die Täfelung eingelassene Tür zum Küchentrakt stand halb offen. Sie ging durch und sah ein schwaches Licht aus der offenen Küchentür scheinen. Der Gasgeruch war hier auch viel stärker.
    Midge rannte durch den Durchgang in die Küche. Edward lag auf dem Boden, sein Kopf im Backofen. Das Gas war voll aufgedreht.
    Midge war ein praktischer Mensch und flink. Als erstes riss sie die Läden auf. Aber sie bekam das Fenster nicht auf. Also wickelte sie sich ein Gläsertuch um den Arm und schlug die Scheibe ein. Dann hielt sie die Luft an, bückte sich und zog und zerrte Edward vom Gasofen weg und drehte alle Hähne zu.
    Er war bewusstlos und atmete unregelmäßig, aber sie wusste, dass er noch nicht lange bewusstlos sein konnte. Er musste eben erst weggesackt sein. Die Zugluft zwischen dem Fenster und der offenen Tür zerstob den Gasgeruch sehr schnell. Midge zog Edward näher ans Fenster heran, sodass er frische Luft bekam. Dann setzte sie sich auf den Boden und barg ihn in ihren

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