Das Eulenhaus
starken jungen Armen.
Sie sprach seinen Namen aus, zuerst sachte, dann immer verzweifelter: »Edward, Edward, Edward…«
Endlich rührte er sich, stöhnte, schlug die Augen auf und sah zu ihr hoch. Ganz matt sagte er: »Gasofen«, und rollte die Augen in Richtung des Herds.
»Schon gut, Schatz, aber warum – warum?«
Jetzt zitterte er, und seine Hände fühlten sich kalt und leblos an. »Midge?«, fragte er, und in seiner Stimme schwang freudige Überraschung mit.
»Ich habe dich an meiner Tür vorbeigehen gehört«, sagte sie. »Ich wusste ja nicht… ich bin dann nach unten gegangen.«
Er seufzte. Es war ein ganz langer Seufzer, der von sehr weit her zu kommen schien. »Der beste Ausweg«, sagte er. Und danach – was Midge erst verstand, als ihr die Unterhaltung mit Lucy am Abend der Tragödie wieder einfiel: »News of the World.«
»Aber warum, Edward, warum?«
Wieder sah er zu ihr hoch, und die kalte dunkle Leere seines Blicks erschreckte sie.
»Weil ich noch nie zu etwas getaugt habe, das weiß ich. Ich bin ein Versager. Untüchtig. Männer, die etwas leisten, sind so wie Christow. Die kommen an, die werden von den Frauen bewundert. Ich bin nichts – nicht einmal richtig am Leben. Ich habe ›Ainswick‹ geerbt, ich habe mein Auskommen, ja – sonst wäre ich schon untergegangen. Ich tauge für keine Karriere – und auch nicht wirklich zum Schriftsteller. Henrietta hat mich nicht gewollt. Niemand hat mich gewollt. Neulich – da im Berkeley –, da dachte ich – aber es war genauso. Du machst dir auch nichts aus mir, Midge. Nicht einmal für ›Ainswick‹ hättest du mich in Kauf genommen. Deshalb dachte ich, es ist besser, ganz zu verschwinden.«
»Schatz, Schatz«, stieß Midge hervor, »du hast das falsch verstanden. Es war wegen Henrietta – ich dachte, du liebst Henrietta noch immer.«
»Henrietta?«, murmelte er abwesend, als ob es um jemand sehr Fernes ging. »Ja, die habe ich sehr geliebt.«
Und aus noch weiterer Ferne hörte sie ihn murmeln: »Es ist so kalt.«
»Edward – mein Schatz.« Sie schlang die Arme fest um ihn.
Er lächelte sie an und murmelte: »Du bist so warm, Midge – du bist so warm.«
Ja, das ist Verzweiflung, dachte sie. Etwas Kaltes – etwas von grenzenloser Kälte und Einsamkeit. Sie hatte nie vorher wirklich begriffen, dass Verzweiflung etwas Kaltes war. Sie hatte sie immer für etwas Heißes, Leidenschaftliches gehalten, etwas Gewaltsames, eine Raserei mit heißem Blut. Aber so war es nicht. Verzweiflung, das war das hier – diese äußerste äußere Finsternis aus Kälte und Einsamkeit. Und auch die Sünde der Verzweiflung, die die Priester meinten, war eine ganz kalte Sünde, die Sünde, sich selbst von sämtlichen warmen, lebendigen menschlichen Beziehungen abzuschneiden.
»Du bist so warm, Midge«, sagte Edward noch einmal.
Und plötzlich schoss ihr eine freudige, stolze Zuversicht durch den Kopf. Und genau das will er doch – und ich kann ihm das geben!
Die Angkatells waren alle kalt. Sogar Henrietta hatte etwas von diesem Irrlichternden, dieser ungreifbaren, feenhaften Kälte des Angkatellschen Blutes in sich. Sollte Edward sie ruhig lieben – als einen unberührbaren, unbesitzbaren Traum. Was er wirklich brauchte, waren Wärme und Dauerhaftigkeit und Verlässlichkeit. Waren die Gemeinschaft im Alltag und Liebe und Lachen in »Ainswick«. Was Edward braucht, dachte sie, ist wärmende Fürsorge – und ich bin der Mensch, der sie ihm geben kann.
Edward sah hoch. Sah Midges über ihn gebeugten Kopf, die warmen Farben ihres Teints, den großzügigen Mund, den festen Blick und die dunklen Haare, die wie zwei Schwingen von der Stirn nach hinten gekämmt waren.
Henrietta hatte er immer als Projektion von etwas Vergangenem gesehen. Noch in der erwachsenen Henrietta hatte er nur das Mädchen von siebzehn Jahren gesucht und sehen wollen, das seine erste Liebe war. Aber als er jetzt zu Midge aufsah, hatte er das eigenartige Gefühl, Midge im Lauf der Zeit erkennen zu können. Als Schulmädchen mit abstehenden Rattenschwänzen. Das Gesicht heute, eingerahmt von dunklen Wellen. Und dieselben Wellen, wie sie aussehen würden, wenn die Haare nicht mehr dunkel, sondern grau sein würden. Midge, dachte er, ist wirklich. Sie ist das einzig Wirkliche, das ich je kennen gelernt habe…
Er spürte ihre Wärme, ihre Stärke – dunkel war sie, positiv, lebendig und wirklich! Midge, dachte er, ist der Fels, auf den ich mein Leben bauen kann.
Er sagte: »Midge,
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