Das Experiment
können.
Kapitel 18
Sonntag, 2. Oktober 1994
Im dunstigen Licht, das der Morgendämmerung voranging, trafen sich Edward und die Wissenschaftler auf halbem Wege zwischen dem Cottage und der Burg und gingen stumm durch das feuchte Gras zum Labor. Alle machten einen etwas bedrückten Eindruck, beinahe trübsinnig, und während des kurzen Weges fiel kein Wort. Im Labor angekommen, schenkten sie sich die erste Tasse Kaffee ein.
Edward war noch wesentlich mürrischer als die anderen, dabeihatte sein Zustand sich sogar in der halben Stunde, seit er aufgestanden war, gebessert. Als er aus dem Bett gestiegen war, hatte er zu seinem Entsetzen auf dem Boden mit Kaffeesatz verkrustete Hühnerknochen gefunden, die so aussahen, als ob sie aus einer Mülltonne stammten. Dann hatte er festgestellt, daß seine Fingernägel so schmutzig waren, als ob er damit in der Erde herumgewühlt hätte. Er war ins Bad gegangen, wo ihm ein Blick in den Spiegel gezeigt hatte, daß auch sein Gesicht und sein Unterhemd dreckverschmiert waren.
Nachdem alle mit einem Kaffee Platz genommen hatten, ergriff François als erster das Wort. »Obwohl ich nur die halbe Dosis genommen habe, war ich letzte Nacht draußen«, sagte er bedrückt. »Als ich heute morgen aufwachte, war ich schmutziger denn je. Ich muß im Schlamm herumgekrochen sein. Ich muß mein Bettzeug abziehen! Und schaut euch mal meine Hände an.« Er streckte seine Hände vor, so daß man eine Menge Kratzer und Schnitte erkennen konnte. »Mein Pyjama war so schmutzig, daß ich ihn wegwerfen mußte.«
»Ich war auch draußen«, gab Curt zu.
»Ich leider auch«, fügte David hinzu.
»Was glaubst du, wie groß die Chance ist, daß wir das Gelände verlassen haben?« fragte François.
»Das kann man nicht sagen«, erklärte David. »Aber der Gedanke beunruhigt mich. Was wäre denn, wenn wir etwas mit diesem Landstreicher zu tun hatten?«
»Das sollten wir nicht einmal als Möglichkeit in Betracht ziehen«, brauste Gloria auf. »Das steht überhaupt nicht zur Debatte.«
»Das Problem könnte die Polizei oder irgendein Nachbar sein«, sagte François. »Wenn in der Stadt wirklich alle so aufgeregt sind, wie Kim erzählt hat, könnte es zu einer Auseinandersetzung mit einem kommen, wenn wir die Umzäunung verlassen.«
»Ja, das beunruhigt mich auch«, sagte David. »Wir wissen ja alle nicht, wie wir reagieren würden.«
»Wenn wir von unserem Reptiliengehirn geweckt werden, dann glaube ich, daß man sich das vorstellen kann«, erklärte Curt. »Wir wären einzig und allein vom Überlebensinstinkt gesteuert und würden uns ohne Zweifel wehren. Ich glaube,wir sollten uns da nichts vormachen. Wir würden gewalttätig werden.«
»Das muß ein Ende haben«, erklärte François.
»Ich war ganz bestimmt nicht draußen«, meinte Eleanor. »Es muß also dosisabhängig sein.«
»Der Meinung bin ich auch«, nickte Edward. »Wir wollen die jeweilige Dosis noch einmal halbieren.«
»Ich fürchte, das reicht nicht«, wandte Gloria ein. »Ich habe gestern gar kein Ultra genommen und muß leider sagen, daß ich trotzdem draußen war. Ich wollte wach bleiben, um aufzupassen, daß keiner hinausgeht, aber es war unmöglich.«
»Ich schlafe auch geradezu blitzartig ein, seit ich Ultra nehme«, sagte Curt. »Ich dachte zunächst, das käme von unserem Dauerstreß. Aber vielleicht liegt es in Wirklichkeit an dem Präparat.«
Alle pflichteten Curt bei und fügten dann hinzu, daß sie beim Aufwachen das Gefühl hatten, besonders gut geschlafen zu haben.
»Ich fühlte mich heute morgen sogar ausgeruht«, sagte François. »Das überrascht mich insofern, als ich ja schließlich genügend Hinweise darauf habe, daß ich im Regen herumgeranntwar.«
Eine Weile saßen alle stumm und nachdenklich da. Glorias Aussage, sie sei trotzdem im Schlaf gewandelt, obwohl sie nichts genommen hatte, war beängstigend.
Schließlich brach Edward das Schweigen. »Unsere Studien zeigen auf, daß Ultra innerhalb eines gewissen Zeitraums abgebaut wird, jedenfalls wesentlich schneller als Prozac«, erklärte er. »Glorias Erfahrung deutet lediglich darauf hin, daß bei ihr die Konzentration im unteren Gehirnbereich oberhalb des Schwellenwertes für diese unglückliche Komplikation liegt. Vielleicht sollten wir die Dosis noch stärker reduzieren.«
François streckte noch einmal seine Hände vor. »Diese Verletzungen sagen mir etwas«, erklärte er. »Ich werde dieses Risiko nicht länger eingehen. Es ist offenkundig,
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