Das Experiment
Kies schon hören. Sie kamen näher, blieben schließlich stehen. Ein paar qualvolle Sekunden lang herrschte Stille. Kim hielt den Atem an.
Plötzlich wurde die Tür unsanft aufgerissen. Kim stieß einen erschreckten Schrei aus, auf den Sheba ebenfalls mit einem Schrei antwortete und dann mit einem Satz aus Kims Armen sprang. Der Mann schrie ebenfalls.
Kim packte die Taschenlampe mit beiden Händen und leuchtete dem Mann direkt ins Gesicht. Der hob beide Hände, um sich vor dem grellen, unerwarteten Licht zu schützen. »Gott sei Dank«, sagte sie und ließ die Taschenlampe sinken.
Sie rannte auf ihn zu und schlang die Arme um ihn. Der Lichtkegel ihrer Taschenlampe tanzte über die Bäume.
Einen Augenblick verharrte Edward regungslos und sah sie mit glasigen Augen an.
»Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dich zu sehen«, sagte Kim und lehnte sich zurück, um ihm in die Augen sehen zu können. »Ich habe noch niemals solche Angst gehabt.«
Edward reagierte immer noch nicht.
»Edward?« fragte Kim und legte den Kopf etwas zur Seite, um ihn besser sehen zu können. »Stimmt etwas nicht?«
Edward atmete laut aus. »Nein, alles in Ordnung«, sagte er schließlich. Er war ärgerlich. »Dabei sollte ich auf dich böse sein. Was, zum Teufel, hast du hier mitten in der Nacht im Morgenrock im Schuppen zu suchen? Du hast mir eine Heidenangst eingejagt!«
Kim entschuldigte sich überschwenglich, als ihr bewußt wurde, welche Angst sie ihm gemacht haben mußte. Sie erzählte ihm, was geschehen war. Edward lächelte, als sie mit ihrer Geschichte fertig war.
»Das ist gar nicht komisch«, fügte sie hinzu. Aber jetzt, wo die Gefahr vorüber war, lächelte auch sie.
»Ich kann einfach nicht glauben, daß du Leib und Leben für diese faule, alte Katze riskierst«, sagte er. »Komm jetzt! Sehen wir zu, daß wir aus dem Regen kommen.«
Kim rief nach der Katze, die sich in der hintersten Ecke hinter ein paar Gartenwerkzeugen versteckt hatte. Kim lockte sie heraus und hob sie auf. Dann ging sie mit Edward ins Haus.
»Ich bin halb erfroren«, sagte sie. »Ich brauche etwas Heißes, einen Kräutertee vielleicht. Möchtest du auch einen?«
»Ich setze mich einen Augenblick zu dir«, sagte Edward und erzählte ihr seine Version des Vorfalls. »Ich hatte die ganze Nacht arbeiten wollen«, sagte er. »Aber als es dann halb zwei war, mußte ich mir eingestehen, daß es einfach nicht ging. Mein Körper ist daran gewöhnt, gegen ein Uhr schlafen zu gehen, und ich konnte die Augen nicht mehr offenhalten. Ich schaffte es gerade noch, vom Labor zum Cottage zu gehen, ohne mich ins Gras zu legen. Als ich zum Haus kam, habe ich die Tür aufgemacht, und dann fiel mir auf, daß ich noch eine Abfalltüte in der Hand hatte. Also ging ich nach hinten zur Mülltonne. Wahrscheinlich habe ich dabei die Tür offengelassen, was ich natürlich allein schon wegen der Moskitos nicht hätte tun sollen. Jedenfalls habe ich die verdammten Deckel nicht von den Tonnen bekommen, und je mehr ich mich anstrengte, desto wütender wurde ich. Ich habe sogar ein paarmal mit der Faust daraufgeschlagen.«
»Die sind neu«, erklärte Kim.
»Dann hoffe ich nur, daß sie eine Gebrauchsanweisung mitgeliefert haben«, sagte Edward.
»Bei Licht ist es einfach«, meinte Kim.
»Schließlich gab ich es auf«, sagte Edward. »Als ich wieder ums Haus kam, war die Tür zu. Und dann bildete ich mir ein, dein Kölnisch zu riechen. Seit ich Ultra nehme, hat sich meinGeruchssinn erstaunlich verbessert. Ich ging dem Geruch nach, ums Haus herum und schließlich zum Schuppen.«
Kim schenkte sich heißen Tee ein. »Und du willst wirklich keinen?« fragte sie.
»Nein, ich kann nicht mehr«, sagte Edward. »Allein schon hier zu sitzen strengt mich an. Ich muß schlafen gehen. Mir ist, als würde ich fünf Tonnen wiegen.« Edward glitt vom Hocker und taumelte. Kim streckte die Hand aus, um ihn zu stützen.
»Es geht schon«, sagte er. »Wenn ich so müde bin, brauche ich einen Augenblick, um mich zu orientieren.«
Kim hörte, wie er sich die Treppe hinauf schleppte, während sie den Tee und den Honig wegräumte. Dann griff sie nach ihrer Tasse und folgte ihm. Oben angelangt, schaute sie in sein Zimmer. Er lag halb ausgezogen auf dem Bett und schlief.
Kim zog ihm unter großer Anstrengung Hemd und Hosen aus und deckte ihn zu. Sie knipste das Licht aus. Daß er so leicht einschlafen konnte, machte sie neidisch, und sie wünschte sich, ebenso schnell einschlafen zu
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