Das Experiment
wechselte Kim die Richtung und ging zum Labor hinüber. Als sie durch den Vorraum ging, verspürte sie ein leichtes Gefühl der Unruhe, da sie nie recht wußte, was sie erwartete. Sie betrat das eigentliche Labor und ließ die Tür hinter sich ins Schloß fallen. Niemand kam ihr entgegen, um sie zu begrüßen.
Sie strebte auf Edwards Arbeitsplatz zu und kam dabei an David vorbei, der sie freundlich, aber bei weitem nicht so überschwenglich wie vor ein paar Tagen begrüßte. Kim winkte Gloria zu, die ähnlich wie David sich gleich wieder auf ihre Arbeit konzentrierte.
Obwohl Davids und Glorias Verhalten wahrscheinlich das normalste war, das Kim seit der Ankunft der beiden erlebt hatte, stellte es doch eine Veränderung dar.
Edward war so in seine Arbeit versunken, daß Kim ihn zweimal antippen mußte, um ihn zum Aufblicken zu veranlassen.
»Gibt’s ein Problem?« fragte er. Er lächelte und schien erfreut, sie zu sehen.
»Ich wollte dir und den anderen einen Vorschlag machen«, sagte Kim. »Wollt ihr nicht zum Abendessen rüberkommen, wie vor zwei Wochen. Ich würde gern in die Stadt fahren und einkaufen.«
»Das ist sehr lieb von dir«, lächelte Edward. »Aber nicht heute. Wir haben keine Zeit. Wir lassen uns einfach Pizza kommen.«
»Es kostet euch bestimmt nicht mehr Zeit, das verspreche ich«, versuchte Kim ihn umzustimmen.
»Ich habe nein gesagt!« zischte Edward mit zusammengebissenen Zähnen, so daß Kim unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. Aber Edward gewann sofort seine Fassung zurück und lächelte wieder. »Pizza ist schon in Ordnung.«
»Wie du meinst«, sagte Kim verwirrt und ein wenig beunruhigt. »Fühlst du dich auch wohl?« fragte sie zaghaft.
»Ja!« herrschte er sie an, lächelte dann aber gleich wieder. »Wir sind heute alle ein wenig gereizt. Es hat einen kleinen Rückschlag gegeben, aber wir haben die Dinge im Griff.«
Kim trat noch ein paar Schritte zurück. »Wenn du es dir im Laufe der nächsten Stunde anders überlegen solltest, kann ich immer noch in die Stadt fahren«, sagte sie. »Ich bin im Cottage. Du brauchst bloß anzurufen.«
»Wir haben wirklich zuviel zu tun«, wehrte Edward ab. »Aber vielen Dank für das Angebot. Ich werde es den anderen sagen.«
Als Kim ging, blickte keiner von seiner Arbeit auf. Draußen angelangt, seufzte sie und schüttelte den Kopf. Sie staunte immer wieder, wie schnell die Stimmung im Labor umschlug, und fragte sich, wie diese Leute eigentlich mit sich zurechtkamen. Langsam gelangte Kim zu dem Schluß, daß Wissenschaftler wirklich eine besondere Sorte Mensch waren.
Nach dem Abendessen war es noch hell genug, um wieder in die Burg zu gehen, aber Kim hatte keine Lust und blieb vor dem Fernseher sitzen. Sie hatte gehofft, das Erlebnis im Labor verdrängen zu können, wenn sie sich eine harmlose Serie ansah; aber je mehr sie über das Verhalten Edwards und der anderen nachdachte, desto größer wurde ihre Unruhe.
Sie versuchte zu lesen, konnte sich aber nicht konzentrieren. Sie dachte an Kinnard und fragte sich, mit wem er wohl zusammensein mochte und was er jetzt tat. Und dann überlegte sie, ob er wohl je an sie dachte.
Kim erwachte ruckartig, obwohl sie wieder eine Xanax genommen hatte, um ihre aufgewühlten Gedanken zu beruhigen. In ihrem Schlafzimmer war es stockfinster, und ein Blick auf die Uhr verriet ihr, daß sie nur kurze Zeit geschlafen hatte. Sie legte sich wieder hin, lauschte den nächtlichen Geräuschen des Hauses und versuchte sich darüber klar zu werden, was sie geweckt haben mochte. Dann hörte sie hinter dem Haus ein dumpfes Dröhnen, das sich ein paarmal wiederholte. Es klang, als würden die neuen,gummiummantelten Mülltonnen gegen die Hauswand stoßen. Kim erstarrte bei der Vorstellung, daß ein Schwarzbär oder ein tollwütiger Waschbär sich dort zu schaffen machten.
Sie knipste die Nachttischlampe an, stieg aus dem Bett und schlüpfte in Morgenrock und Pantoffeln. Dann strich sie Sheba beruhigend über den Kopf. Sie war froh, daß sie die Katze nicht hinausgelassen hatte.
Das Dröhnen wiederholte sich, und Kim eilte hinüber zu Edwards Zimmer. Als sie das Licht anknipste, stellte sie fest, daß Edwards Bett leer war. Sie nahm an, daß er sich noch im Labor befand, und war beunruhigt, weil er im Dunkeln zu Fuß zum Cottage gehen mußte. Sie ging in ihr Schlafzimmer und wählte die Nummer des Labors. Nachdem es zehnmal geklingelt hatte, legte sie auf.
Kim holte die Taschenlampe aus der Nachttischschublade
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