Das Experiment
Tierwärter im Käfig von seinen Promotionsstudenten umringt. Sie arbeiteten alle an verschiedenen Aspekten eines gemeinsamen Forschungsziels, das Edward vorgegeben hatte; sie versuchten die genaue Funktionsweise des Kurz- und Langzeitgedächtnisses zu erklären. Edward wurde mit Problemen und Fragen bedrängt, die er kurz und bündig beantwortete, um seine Mitarbeiter dann zügig an ihre Forschungsarbeiten zurückzuschicken.
Als er den letzten Studenten abgefertigt hatte, ging er zu seinem eigenen Schreibtisch. Da er es als eine sinnlose Verschwendung dringend benötigter Arbeitsflächen betrachtete, hatte er auf ein eigenes Büro verzichtet. Er gab sich mit einer Ecke zufrieden, in der es nicht mehr gab als eine schlichte Arbeitsfläche, ein paar Stühle, einen Computer und einen Aktenschrank. Eleanor Youngman kam zu ihm herüber, eine promovierte Biochemikerin, mit der er seit vier Jahren zusammenarbeitete und die er zu seiner Assistentin auserkoren hatte.
»Du hast Besuch«, sagte Eleanor, »er wartet im Sekretariat.«
Edward legte seine Vorlesungsunterlagen auf den Tisch, zog sein Tweedjackett aus und einen weißen Laborkittel an. »Ich habe keine Zeit für Besucher.«
»Ich fürchte, daß du diesen Gast nicht abwimmeln kannst.«
Edward sah sie neugierig an. Sie grinste und stand offenbar kurz davor, in lautes Lachen auszubrechen. Eleanor war hellblond und wirkte sehr lebendig und intelligent. Sie kam aus Oxnard, Kalifornien, und man hätte sie eigentlich eher im Kreise braungebrannter Surfer vermutet. Doch der Schein trügte, denn mit dreiundzwanzig Jahren hatte sie an der Universität von Berkeley ihren Doktortitel in Biochemie erhalten. Edward hielt nicht nur wegen ihrer Intelligenz große Stücke auf sie; sie ging auch voll und ganz in ihrer Arbeit auf. Sie bewunderte ihn und war davon überzeugt, daß er mit Hilfe der Quantenmechanik bald den entscheidenden Sprung nach vorn machen und die Funktionsweise der Neurotransmitter und deren Wirkung auf die Gefühle und das Gedächtnis vollends würde erklären können.
»Wer, in Gottes Namen, ist es denn?« wollte Edward wissen.
»Stanton Lewis«, sagte Eleanor. »Ich muß mich jedesmal halb totlachen, wenn er kommt. Diesmal wollte er mich dazu bringen, in eine neue Chemiezeitschrift zu investieren; sie soll Bonding heißen und sich regelmäßig einem ›Molekül des Monats‹ widmen – mit ausklappbarem Modell! Ich weiß nie, wann er mich auf den Arm nimmt und wann er es ernst meint.«
»Das hat er bestimmt nicht ernst gemeint«, sagte Edward. »Er flirtet gerne mit dir, das ist alles.«
Er sah schnell seine Post durch, doch es schien nichts Weltbewegendes dabei zu sein. »Gibt’s irgendwelche Probleme im Labor?« fragte er.
»Ich fürchte, ja«, erwiderte Eleanor. »Das neue Kapillar-Elektrophorese-System, mit dem wir die elektrokinetische Mizellen-Kapillar-Chromatographie durchführen, spielt mal wieder verrückt. Soll ich den Vertreter von Bio-Rad bestellen?«
»Laß nur«, sagte Edward. »Ich schau es mir gleich an. Von mir aus kannst du Stanton jetzt reinschicken. Dann kann ich die beiden Probleme vielleicht in einem Aufwasch erledigen.«
Edward befestigte das Strahlungsdosimeter am Revers seines Kittels und ging zu dem Chromatographen. Er versuchte es mit den verschiedensten Steuerbefehlen, doch irgend etwas schien definitiv nicht in Ordnung zu sein. Aus unerfindlichem Grund stürzte das Setup-Menü ständig ab.
Edward war so in seine Arbeit vertieft, daß er Stanton gar nicht wahrnahm. Erst als dieser ihm zur Begrüßung kräftig auf den Rücken schlug, merkte er, daß sein alter Freund neben ihm stand.
»Hi, Kumpel! Ich habe eine Überraschung für dich, die dich umhauen wird!« Stanton reichte Edward eine Hochglanzbroschüre, die in einer Plastikhülle steckte.
»Was ist das?« fragte Edward, während er nach der Broschüre griff.
»Das, worauf du schon lange gewartet hast«, verkündete Stanton. »Der Prospekt über Genetrix.«
Edward lächelte und schüttelte den Kopf. »Du willst es einfach nicht begreifen.« Dann legte er die Broschüre zur Seite und widmete sich erneut dem Chromatographie-Computer.
»Wie ist denn dein Rendezvous mit Schwester Kim gewesen?« fragte Stanton.
»Gut«, erwiderte Edward. »Deine Cousine ist eine Wahnsinnsfrau.«
»Seid ihr schon miteinander ins Bett gegangen?« bohrte Stanton weiter.
Edward drehte sich abrupt um. »Das geht dich einen feuchten Kehricht an.«
»Mein Gott«, stöhnte Stanton mit
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