Das Experiment
beschädigte Ende einer Holzkiste aus der Erdwand ragte.
»Das ist der Grund, weshalb wir die Arbeiten unterbrechen mußten«, erklärte George.
»Was ist das?« fragte Kim.
»Ich fürchte, es ist ein Sarg«, erwiderte George.
»Um Gottes willen«, entfuhr es Kim.
»Wir haben auch einen Grabstein gefunden«, sagte George. »Er muß uralt sein.« Mit einem erneuten Handzeichen bat er sie, ihm weiter zu folgen. Sie gingen zum Ende des Grabens, wo die Arbeiter die frisch ausgehobene Erde zu einem kleinen Hügel aufgehäuft hatten. Hinter dem Erdhügel lag eine schmutzige weiße Marmorplatte im Gras.
»Der Grabstein muß hier seit Jahren flach auf dem Boden gelegen haben«, erklärte George. »Im Laufe der Zeit ist er dann überwuchert worden.« George beugte sich hinab und wischte den angetrockneten Dreck von der Marmorplatte.
Kim schnappte nach Luft. »Mein Gott – da steht ja ›Elizabeth‹!« brachte sie mühsam hervor. Dann schüttelte sie entsetzt den Kopf. Langsam konnte sie nicht mehr glauben, daß all dies nichts zu bedeuten haben sollte.
»War sie eine Verwandte von Ihnen?« fragte George.
»Ja«, erwiderte Kim und sah sich den Grabstein näher an. Er ähnelte dem von Ronald. Auch auf diesem Stein waren lediglich Geburts- und Todesdatum vermerkt.
»Wußten Sie, daß sie hier begraben war?« wollte George wissen. Seine Frage war nicht vorwurfsvoll gemeint, er war nur neugierig.
»Nein«, erwiderte Kim. »Ich hatte keine Ahnung. Ich weiß allerdings seit ein paar Wochen, daß sie nicht auf unserem Familienfriedhof beerdigt wurde.«
»Und was sollen wir jetzt tun?« fragte George. »Wenn man ein Grab verlegen will, braucht man eine Genehmigung.«
»Können Sie nicht um den Sarg herumbaggern und ihn einfach an seinem Platz lassen?« schlug Kim vor.
»Doch, ich denke, das müßte sich machen lassen«, erwiderte George. »Wir können den Graben an der Stelle etwas breiter ausheben. Glauben Sie, daß hier noch andere Särge verbuddelt sein könnten?«
»Nein«, entgegnete Kim. »Das halte ich für ausgeschlossen. Elizabeth war ein Sonderfall.«
»Bitte entschuldigen Sie meine Direktheit«, sagte George. »Sie sind sehr blaß. Geht es Ihnen nicht gut?«
»Danke«, erwiderte Kim. »Mit mir ist alles okay. Ich bin nur ein bißchen erschrocken. Außerdem stimmt es mich ein bißchen abergläubisch, daß Sie ausgerechnet auf das Grab dieser Frau gestoßen sind.«
»Uns ist es ähnlich gegangen«, sagte George. »Vor allem meinem Baggerfahrer. Er war total entsetzt und ist einfach ins Haus gerannt. Ich werde ihn mal wieder rausholen. Wir müssen schließlich noch jede Menge Kabel und Leitungen ins Haus legen, bevor wir im Keller den Zement gießen können.«
Nachdem George im Haus verschwunden war, wagte Kim sich noch einmal etwas näher an den Rand des Grabens heran, um die freiliegende Kante von Elizabeths Sarg genauer zu inspizieren. Dafür, daß er schon seit mehr als dreihundert Jahren in der Erde war, war das Holz noch erstaunlich gut erhalten. Nicht einmal da, wo der Bagger den Sarg gerammt hatte, war das Holz geborsten.
Kim hatte keine Ahnung, was sie von dieser neuerlichen Entdeckung halten sollte. Erst das Portrait von Elizabeth und jetzt ihr Grab. Es wurde immer schwieriger, all diese Funde als bloße Zufälle abzutun.
Als Kim das Brummen eines näher kommenden Autos hörte, schaute sie auf. In der Ferne konnte sie ein Auto erkennen, das ihr irgendwie bekannt vorkam. Es holperte langsam über die unbefestigte Straße, die durch das Feld zum Cottage führte. Erst als der Wagen neben ihr hielt, wußte sie, warum er ihr so vertraut vorgekommen war. Es war Kinnards Wagen.
Mit einem mulmigen Gefühl ging sie zu dem Auto und beugte sich hinunter, um durch das offene Beifahrerfenster mit Kinnard zu sprechen.
»Das ist ja eine seltene Überraschung«, sagte sie. »Warum bist du nicht im Krankenhaus?«
»Hin und wieder lassen sie mich auch mal raus aus dem Käfig«, erwiderte Kinnard vergnügt.
»Und was führt dich nach Salem?« wollte Kim wissen. »Woher weißt du überhaupt, daß ich hier bin?«
»Marsha hat es mir verraten«, klärte Kinnard sie auf. »Ich habe sie heute morgen auf der Intensivstation getroffen. Und da habe ich ihr erzählt, daß ich heute nach Salem fahren wollte, um mir ein Zimmer zu suchen. Ich habe im August und im September hier im Krankenhaus Dienst. Und ich habe wirklich keine Lust, zwei Monate lang im Krankenhaus zu übernachten. Du weißt doch, daß ich einen Teil
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