Das Experiment
Eichentür, die in den Weinkeller führte. Bevor sie die Treppe hinabstieg, schaltete sie die Kellerbeleuchtung ein. Sie ging den langen Hauptflur entlang und warf im Vorbeigehen einen kurzen Blick in jedes Abteil.
Vor einem der zellenartigen Räume zögerte sie kurz: Irgend etwas schien hier anders. Sie nahm das Inventar etwas genauer in Augenschein. Wie überall standen auch hier jede Menge Aktenschränke, Kommoden, Koffer und Kisten herum. Doch dann fiel ihr auf einer der Kommoden eine Holzschachtel ins Auge, die ihr irgendwie bekannt vorkam. Sie erinnerte sie an das Bibelkästchen, daß die Führerin ihnen bei ihrem Besuch des Hexenhauses als unverzichtbaren Bestandteil eines jeden puritanischen Haushalts beschrieben hatte.
Kim ging zu der Kommode und strich vorsichtig über die Oberfläche des Kästchens; ihre Finger hinterließen in der dicken Staubschicht deutliche Streifen. Das Holz war zwar unbearbeitet, aber trotzdem ganz glatt. Das Kästchen schien sehr alt zu sein. Kim nahm es hoch und klappte vorsichtig den Deckel auf.
Wie erwartet lag in der Kiste eine abgegriffene, in dickes Leder gebundene Bibel. Kim nahm die Heilige Schrift heraus und sah, daß sich darunter mehrere Umschläge und Papiere befanden. Aufgeregt ging sie mit dem Buch auf den Flur, wo das Licht besser war. Sie schlug die erste Seite auf und suchte nach dem Erscheinungsdatum. Die Bibel war im Jahr 1635 in London gedruckt worden! Handschriftlich war auf der Innenseite des Deckels Ronald Stewarts Bibel, 1663 vermerkt. Hastig blätterte Kim die Seiten durch; sie hoffte, vielleicht ein paar achtlos hineingesteckte und vergessene Papiere zu entdecken, doch sie fand nichts dergleichen.
Als sie die hinteren Seiten der Bibel durchblätterte, fand sie mehrere unbedruckte Seiten mit der Überschrift »Persönliche Vermerke«. Da, wo der Bibeltext endete, hatte Ronald sämtliche Eheschließungen, Geburten und Todesfälle seiner Familie festgehalten. Kim nahm ihren Zeigefinger zu Hilfe und ging die Daten der Reihe nach durch. Schließlich stieß sie auf den Eintrag über Ronalds dritte Hochzeit; er hatte Rebecca am Samstag, dem 1. Oktober 1692 geheiratet!
Kim war entsetzt. Als Ronald Elizabeths jüngere Schwester geheiratet hatte, war Elizabeth gerade zehn Wochen tot gewesen! Wieder schoß ihr durch den Kopf, daß er womöglich etwas mit Elizabeths Hinrichtung zu tun gehabt hatte. Angesichts einer derart überstürzten Wiederheirat konnte sie sich nur schwer vorstellen, daß Ronald und Rebecca nicht schon vorher eine Affäre miteinander gehabt hatten.
Durch ihre Entdeckung ermutigt, widmete Kim sich noch einmal dem Bibelkästchen und nahm die Umschläge und Papiere heraus. Gespannt öffnete sie die Briefe und hoffte, auf persönliche Korrespondenz zu stoßen, doch sie wurde enttäuscht. Es waren nur Geschäftsunterlagen aus der Zeit zwischen 1810 und 1837.
Kim wandte sich dem nächststehenden Aktenschrank zu. Sie sah sich jedes einzelne Papier genau an; die meisten Dokumente waren zwar relativ alt, aber nicht besonders interessant. Doch dann erweckte ein mehrseitiges, zusammengefaltetes Schriftstück, das mit einem Wachssiegel versehen war, ihre Aufmerksamkeit. Sie faltete es vorsichtig auseinander; es war die Übertragungsurkunde eines großen Gebietes, das als Northfields Property bezeichnet wurde.
Auf der zweiten Seite des Schriftstücks entdeckte Kim eine Karte. Sie hatte keinerlei Schwierigkeiten, die Gegend wiederzuerkennen. Es waren der derzeitige Stewartsche Familienbesitz sowie das Land, auf dem sich heute der Kernwood Country Club und der Greenlawn-Friedhof befanden. Das Gebiet erstreckte sich bis hinter den Danvers River, der in der Karte Wooleston River genannt wurde, und schloß auch noch ein kleines Gebiet des heutigen Beverly mit ein. Im Nordwesten grenzte das bezeichnete Grundstück an die heutigen Gemeinden Peabody und Danvers, die in der Urkunde unter dem Namen Salem Village aufgeführt waren.
Als Kim weiterblätterte, fiel ihr der interessanteste Teil der Urkunde ins Auge. Als Käufer hatte Elizabeth Flanagan Stewart unterzeichnet. Der Vertrag war am 3. Februar 1692 geschlossen worden.
Kim überlegte, warum Elizabeth und nicht Ronald das Land gekauft hatte. Es kam ihr seltsam vor, auch wenn sie sich an den vorehelichen Vertrag erinnerte, den sie im Gerichtsgebäude des Essex County gefunden hatte und der Elizabeth ausdrücklich das Recht zubilligte, in eigenem Namen Verträge abzuschließen. Aber warum hatte Elizabeth den
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