Das Experiment
nahmen die Gewebekulturen aus dem Brutschrank und untersuchten sie unter dem Mikroskop. Sie waren alle in Ordnung. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, daß der Wirkstoff das Gewebe geschädigt hatte, nicht einmal bei den Kulturen, die sie einer hohen Dosierung ausgesetzt hatten.
»Das Zeug scheint nicht die Spur toxisch zu sein«, stellte Edward gutgelaunt fest.
»Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich es nicht glauben«, bemerkte Eleanor.
Sie gingen zurück zu Edwards Arbeitsfläche und bereiteten verschiedene Lösungen mit unterschiedlichen Dosierungen vor. Sie begannen mit einer Konzentration, die in etwa der Dosis entsprach, die Stanton neulich von dem noch nicht modifizierten Alkaloid genommen hatte. Edward nahm als erster eine Kostprobe, und als er keine Reaktion zeigte, tat Eleanor es ihm nach. Auch sie verspürte keinerlei Wirkung.
Von dem negativen Resultat ermutigt, erhöhten sie die Dosierungen allmählich bis auf ein ganzes Milligramm. Dabei hatten sie vor Augen, daß LSD schon bei einer Dosierung von 0,05 Milligramm Halluzinationen hervorrief.
»Und?« fragte Edward nach einer halben Stunde.
»Keine halluzinogene Wirkung«, antwortete Eleanor.
»Aber Wirkung hat der Stoff«, stellte Edward fest.
»Allerdings!« stimmte Eleanor ihm zu. »Ich empfinde einetiefe innere Ruhe und Zufriedenheit. Ein sehr angenehmes Gefühl.«
»Und ich kann im Moment unheimlich klar denken«, sagte Edward. »Das kann nur mit diesem Stoff zu tun haben, denn vor zwanzig Minuten war ich noch völlig konfus; meine Konzentrationsfähigkeit war auf dem Nullpunkt angelangt. Außerdem fühle ich mich plötzlich so munter, als hätte ich die ganze Nacht durchgeschlafen.«
»Mir kommt es so vor, als ob mein Langzeitgedächtnis aus einem Dornröschenschlaf erweckt worden wäre«, fuhr Eleanor fort. »Ich erinnere mich auf einmal an die Telefonnummer, die wir hatten, als ich sechs Jahre alt war. Damals sind wir an die Westküste gezogen.«
»Was ist mit deinen Sinneswahrnehmungen?« wollte Edward wissen. »Ich glaube, ich empfinde mehr als sonst. Ich rieche plötzlich viel mehr.«
»Jetzt, wo du es sagst, fällt es mir auch auf«, sagte Eleanor; sie legte ihren Kopf zurück und schnupperte ein wenig. »Ich hätte nie gedacht, daß es hier im Labor so viele merkwürdige Gerüche gibt.«
»Und dann ist da noch etwas, das mir wahrscheinlich gar nicht auffallen würde, wenn ich nicht schon einmal Prozac genommen hätte«, fuhr Edward fort. »Ich strotze plötzlich vor Selbstbewußtsein und Kontaktfreude. Es würde mir im Moment nichts ausmachen, in eine Gruppe wildfremder Leute hineinzuplatzen und den großen Zampano zu spielen. Mit Prozac habe ich damals drei Monate gebraucht, bis ich soweit war.«
»Dazu kann ich nichts sagen«, entgegnete Eleanor. »Mir hat es nie an Selbstbewußtsein gemangelt. Aber mein Mund ist ein bißchen trocken. Ist das bei dir auch so?«
»Ja, vielleicht«, erwiderte Edward.
Dann blickte er Eleanor in ihre tiefblauen Augen. »Deine Pupillen scheinen leicht erweitert. Womöglich ist die Scopolamin-Seitenkette dafür verantwortlich, die wir nicht vollständig eliminieren konnten. Überprüf mal, ob du die Dinge in deiner Nähe gut erkennen kannst.«
Eleanor nahm ein Reagenzglas in die Hand und versuchte, die winzige Schrift auf dem Etikett zu entziffern. »Kein Problem«, sagte sie.
»Fällt dir sonst noch was auf?« fragte Edward. »Hast du Kreislauf- oder Atemprobleme?«
»Nein«, erwiderte Eleanor. »Mir geht’s prima.«
»Entschuldigung«, sagte plötzlich jemand.
Edward und Eleanor drehten sich um und sahen, daß hinter ihnen unbemerkt eine der Doktorandinnen ins Labor gekommen war. Ihr Name war Nadine Foch; sie kam aus Paris. »Ich glaube, ich brauche Ihre Hilfe«, sagte sie. »Die Kernspintomographie-Anlage funktioniert nicht.«
»Vielleicht sollten Sie sich besser an Ralph wenden«, sagte Edward und lächelte sie freundlich an. »Ich würde Ihnen wirklich gerne helfen, aber ich bin im Moment sehr beschäftigt. Außerdem kennt Ralph sich mit dem Gerät besser aus als ich – jedenfalls was die Technik angeht.«
Nadine bedankte sich und verließ das Labor, um Ralph zu suchen.
»Du warst ja richtig nett zu ihr«, wunderte Eleanor sich.
»Ich fühl’ mich auch so«, erwiderte Edward. »Und sie ist ja auch eine nette junge Frau.«
»Vielleicht solltest du dich auch allmählich mal wieder um deine anderen Verpflichtungen kümmern«, schlug Eleanor vor. »Immerhin
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