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Das Falsche in mir

Das Falsche in mir

Titel: Das Falsche in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Bernuth
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sie der einzige Mensch, der sich noch für sie interessiert. Teresa setzt sich auf die Bank einer Bushaltestelle und verbirgt ihr Gesicht in den Händen.
    Wenn hübsche Mädchen in Filmen weinen, sehen sie dabei noch hübscher aus. Teresa weiß, dass das auf sie nicht zutrifft. Ihr Gesicht wird rot, verquollen und unattraktiv. Sie schluckt die Tränen herunter, der salzige Geschmack tut seltsam gut, und dann spürt sie eine Hand auf ihrem Nacken und schließlich Lippen – Lens Lippen! – direkt unter ihrem Haaransatz,wo sie besonders empfindlich ist. Das Weinen und die Erregung über Lens Berührung gehen eine seltsame, gewagte Allianz ein; Teresa schaudert.
    Sie blickt auf, direkt in Lens dunkle Augen, die nun wieder warm und liebevoll wie immer auf sie gerichtet sind, und innerlich atmet sie auf.
    »Ich will dich so sehr«, sagt Len. »Du musst das verstehen, manchmal sind meine Gefühle stärker als ich, und dann hasse ich mich, weil du erst fünfzehn bist und das, was ich für dich empfinde, nicht in Ordnung ist.«
    »Es ist in Ordnung«, sagt Teresa, und es ist, als würde das eine andere sagen, eine, die in ihr ist, aber die sie nicht besonders gut kennt und die ihr etwas unheimlich ist.
    Diese andere bringt Teresa dazu, ihre Hand zu heben und Len in die Locken zu greifen, und dann spürt sie, wie Len den Reißverschluss ihres Parkas aufzieht und seine Hand auf ihre Brust legt, wo sie hingehört, das spürt sie jetzt ganz genau, und sie macht die Augen zu, wie sie es in den Filmen gesehen hat. Die Filme, in denen Sex etwas Schönes ist und nicht etwas Langweiliges, Lachhaftes, Beängstigendes und Schmutziges wie bei YouPorn.
    Len küsst sie, berührt sanft und vorsichtig ihre Zunge mit seiner, und sie macht die Augen auf und sieht an Lens Wange vorbei hoch zum Glasdach der Bushaltestelle, die sich langsam mit Schneeflocken bedeckt.
    Len schmeckt nach Rauch und dem Salz ihrer eigenen Tränen. Er riecht nach einem Aftershave, das sie an jemanden erinnert, aber ihr fällt nicht ein, an wen.
    Teresa macht die Augen wieder zu.
    Sina hat sich nach der Sitzung krankgemeldet, zum ersten Mal, seit sie denken kann. Sina ist nie krank, Erkältungen machen einen großen Bogen um sie, Magen-Darm-Grippen kennt sie nur vom Hörensagen. Selbst auf ihren Rucksackreisen durchIndien und Südamerika blieb sie verschont. Ihr Immunsystem ist beängstigend. Sie könnte wahrscheinlich in einer Cholerastation arbeiten, ohne sich anzustecken.
    Also musste sie sich gut überlegen, welche Art von Unwohlsein sie ein paar Tage lang vorschieben kann, ohne sich verdächtig zu machen. Schnupfen hört man der Stimme an, bei Durchfall und Erbrechen nimmt man ab, beides kommt also nicht infrage. Schließlich hat sie sich aus dem Internet über die Symptomatik von Hexenschuss informiert, hat den Notarzt alarmiert, hat sich von diesem eine Spritze gegen die angeblichen Schmerzen geben und sich anschließend den Rest der Woche krankschreiben lassen.
    Es ist Mittwochabend, zehn Uhr. Wenn sie das Wochenende mitrechnet, hat sie gerade einmal vier Tage Zeit, jene Wahrheit herauszufinden, die ihre Vorgesetzten nicht sehen wollen. Wenn es diese Wahrheit denn gibt und sie sich nicht alles nur einredet.
    Weshalb sie jetzt auf eigene Faust ermitteln wird. Mit einem einzigen, noch dazu widerwilligen Verbündeten – Gronberg, den sie einweihen musste, schon damit er ihr Kontroll- oder sonstige Anrufe vom Hals hält oder ihr zumindest Bescheid sagt, wenn etwas in der Richtung droht.
    Gronberg ist ein Risiko, das weiß sie genau. Er glaubt ihren Theorien nicht und will sich nicht damit beschäftigen. Andererseits hasst er seine Kollegen, seinen Chef und überhaupt alle, die ihm eine schöne ruhige Zeit bis zu seiner Pensionierung nicht mehr gönnen, und das nur deshalb, weil er so dämlich war, die Ermittlungen auf Lukas Salfeld zu lenken, den er als junger Polizist schon einmal abgeführt hatte. Weshalb ihn jetzt alle als eine Art Experte betrachten, der er nicht ist, nie war und nie sein wollte.
    Sina stellt ihr Festnetztelefon vorsichtshalber auf ihr mobiles um, obwohl ohnehin niemand je ihre Festnetznummer wählt. Sie zieht sich Jeans und feste Wanderschuhe an, darübereinen dicken Pulli und eine alte Daunenjacke und stülpt sich eine voluminöse Strickmütze über die Haare, die sie sich auf dem Heimweg gekauft hat. Sie wickelt sich zusätzlich in einen dicken grauen Schal und hofft nun, unkenntlich genug zu sein, um nicht von einem Kollegen auf der

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