Das falsche Opfer
unsichtbar wäre.«
»Na schön«, sagte er und zuckte
gereizt die Schultern. »Wer noch?«
»Hier eben brauche ich Ihre
Hilfe«, sagte ich gelassen. »Ich möchte, daß Sie mich über einige Details
aufklären.«
»Wenn ich das kann.«
»Besteht zwischen Ihrer Frau
und Irving irgendeine Beziehung?«
Kramers Gesicht verdüsterte
sich wieder. »Lieber Himmel!« brach er los. »Ist das so verdammt
offensichtlich, daß Sie es innerhalb von vierundzwanzig Stunden herausbekommen
konnten?«
»Ich hatte einige Hilfe dabei«,
gab ich zu. »Aber ja, ich würde sagen, es ist offensichtlich.«
»Es ist eigentlich nicht so
sehr Sallys Schuld«, sagte er wie zu sich selber. »Sie stammt aus einer guten
Familie, und sie hat gesellschaftliche Ambitionen. Ich glaube, es war ihr nicht
ganz klar, was sie auf sich nahm, als sie mich heiratete — einen simplen
Flieger, der nur ein Interesse hatte, nämlich weiterhin zu fliegen. Außerdem
waren meine Freunde genauso wie ich, und so kam es nie zu irgendwelchem
>gesellschaftlichen< Umgang. Sie meint, ich hätte kein Rückgrat — keinen
Ehrgeiz, keinen echten Respekt vor Geld. Ich glaube, ich bin all das, was
Philipp Irving nicht ist.«
»Vielleicht ist es für Sie
nicht sehr angenehm«, sagte ich, »aber Sie werden der Tatsache ins Gesicht
sehen müssen: Wenn Sie tot sind, erbt Ihre Frau Ihr gesamtes Vermögen und kann
heiraten, wen sie will, einschließlich — nach einer gewissen Zeit — Philipp
Irving. Von seinem Standpunkt aus kann auch er, wenn Sie tot sind, nach einer
gewissen Zeit Ihre Witwe heiraten — und damit würde er sowohl sie wie Ihr
gesamtes Vermögen bekommen.«
»Lieber Himmel!« Kramer starrte
mich wie gebannt an, und das Blut wich ihm langsam aus dem Gesicht. »Sie
glauben doch nicht im Ernst, daß die beiden sich zusammengetan haben, um mich
zu ermorden?«
»Ich weiß es nicht«, brummte
ich. »Aber ganz bestimmt ist es eine Möglichkeit.«
Er ließ sich in die Tiefen
seines Sessels zurückfallen und starrte eine Weile wie blind zu den Balken der
Decke empor. Ich gab ihm soviel Zeit, sich an den
Gedanken zu gewöhnen, wie erforderlich war, um mein Glas auszutrinken.
»Dann ist da noch etwas«, sagte
ich forsch.
»Wie?« Er tauchte mühsam wieder
aus der Vorhölle, in der er sich augenblicklich aufhielt, auf und blinzelte
mich unsicher an. »Haben Sie etwas gesagt?«
»Da ist das Maskottchen«, sagte
ich mit fester Stimme, »der Engel ohne Flügel, und er ist im Augenblick hübsch
geladen auf Sie!«
»Geladen auf mich?« Er zwang
sich aufzusitzen und schüttelte ein paarmal den Kopf hin und her, als ob er
dadurch klarer würde. »Warum denn, zum Teufel?«
»Angel war, nach ihrer
Darstellung, als sie zum erstenmal hierherkam, MacGregors Mädchen, aber dann bat letzterer sie, nett zu
Ihnen zu sein. Jedesmal , wenn er bei Ihnen ist,
benimmt er sich wie ein Hund, der vor Angst völlig verrückt ist — behauptet
Angel. Sie interessiert sich brennend dafür, was Sie von MacGregor wissen, um ihn zu diesem Verhalten zu veranlassen — und ich ebenfalls.«
»Diese falsche kleine Katze«,
sagte er beinahe bewundernd. »Sie führt mich schon eine ganze Weile an der Nase
herum. Sie ist das größte Luder, dem ich je nachgelaufen bin — zu meinem Pech,
denn ich werde sie nie bekommen! Die hat vielleicht eine Technik, Lieutenant.
Sie hält Sie hin, verspricht Ihnen alles mit ihren Augen und ihren Händen, mit
kleinen berechneten Bewegungen ihres Körpers. Und in dem Augenblick, in dem Sie
glauben, Sie hätten’s geschafft — Vorhang runter, und
Sie stehen wieder genau da wie am Anfang!«
»Sie glaubt, Sie hätten MacGregor schon seit geraumer Zeit gezwungen, für Sie den
Kuppler zu spielen«, sagte ich barsch.
»Das ist kompletter Quatsch!«
knurrte er. »Sie ist nichts als eine verdammte Unruhestifterin, und das aus
tiefstem Inneren —.« Er brach plötzlich ab und schwieg. Eine Sekunde lang traf
sein Blick den meinen und glitt dann in flüchtigem Erschrecken ab. Ein paar
Sekunden später sah er mich wieder an.
»>Die Wahrheit<, haben
Sie gesagt, Lieutenant?« fragte er mit belegter Stimme. »>Ehrlich, auch wenn
es unangenehm ist<, haben Sie das nicht gesagt? Nun, das hier ist schon
verteufelt unangenehm.«
»Solange Ihnen etwas unangenehm
ist, leben Sie wenigstens noch«, sagte ich vorsichtig. »Eine Menge Leute würde
das als einen Vorteil betrachten.«
»Ja.« Er grinste aufgewühlt.
»Sie brauchen mir nicht noch Salz in die Wunden zu streuen.« Er
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