Das Feenorakel
Und mit diesen geradezu sibyllinischen Andeutungen verließ sie schnellen Schrittes die Bar in Richtung der Hotelhalle, wo ein hoch gewachsener Mann ihr mit ausgestreckten Armen entgegenging.
«Wenn Frauen eigentlich sagen, meinen sie immer etwas anderes», sagte Julen mehr zu sich selbst, während er die Tür zur Suite öffnete. «Es klingt schlimmer, als es ist. Sorg dich nicht, wir schaffen das schon!»
« Eigentlich ist es doch ganz einfach. Ich brauche nur nicht mehr aufzutreten und das Problem hat sich von selbst gelöst.» Sie lehnte sich an ihn, um seine Wärme und Energie zu spüren. Letzteres würde sie auch in Zukunft gebrauchen können.
«Weißt du, was ich besonders an dir mag?» Julen tippte ihr mit dem Zeigefinger auf die Nasenspitze.
«Meinen Mut ?», fragte sie ironisch zurück.
«Stell dein Licht nicht unter den Scheffel. Es braucht eine Menge Mut, um jemandem wie Florentine die Stirn zu bieten.» Er beugte sich zu ihr hinab. «Wo waren wir stehen geblieben?» Sein Mund verharrte wenige Millimeter vor ihren Lippen, als wollte er ihr die Entscheidung überlassen.
Es gab noch unendlich viele Dinge zu lernen, aber das konnte auch bis zum nächsten Morgen warten. Endlich würde niemand mehr im falschen Moment an ihrer Tür klopfen und ihm dadurch die Gelegenheit verschaffen, sich unauffällig zu verdrücken.
Alva hatte niemals vorgehabt, sich aufzusparen . Es hatte sich einfach nicht ergeben oder sie war, wie letztes Jahr mit Tom, von irgendjemandem gestört worden.
Richtig Spaß macht Sex erst nach ein bisschen Übung , hatte einmal eine der älteren Schülerinnen in der Umkleidekabine ihrer Sporthalle behauptet. Die anderen Mädchen hatten beifällig gelacht und als sie Alva entdeckt hatten, war die hübscheste von ihnen auf sie zugekommen und hatte ihr den Arm um die Schultern gelegt. «Ich gebe dir einen guten Rat: Vergiss die Gleichaltrigen und such dir fürs erste Mal einen richtigen Mann.»
«Am besten einen alten, der braucht länger!» Alle hatten gekichert und eine hatte hinzugefügt: «Aber nicht zu alt, sonst kriegt er keinen mehr hoch und du hast die ganze Arbeit!»
Alva hatte ihr Gerede schrecklich peinlich gefunden und war so schnell wie möglich verschwunden. Vergessen hatte sie diese Ratschläge allerdings nie. Sie fand, dass es etwas Besonderes sein sollte, wenn man nicht nur einen Entjungferungsdeal eingehen wollte. Seit jener Episode in der Sporthalle träumte sie von einem erfahrenen Liebhaber, der sie auf Händen tragen und ihr jeden Wunsch von den Lippen ablesen würde. Natürlich war das romantischer Unsinn.
Seit sie Julen kennengelernt hatte, war ihre Hoffnung zurückgekehrt, dass sich ihr Traum doch noch erfüllen würde, bevor sie alt und grau geworden war. Er wirkte selbstbewusst und bestimmt hatte er viel Erfahrung. Zu alt fand sie ihn auch nicht, selbst wenn sich bereits kleine Fältchen um seine Augen gebildet hatten. Ihr war längst aufgefallen, dass er gern lachte, auch wenn er sich meistens bemühte, cool und unnahbar zu wirken, was ihm im Übrigen ausgezeichnet gelang. Und das lag bestimmt nicht nur an der Designer-Sonnenbrille, die er meistens trug.
In diesem Augenblick verbargen jedoch keine getönten Gläser seine Augen, und ihr verschlug es fast den Atem, als sie die Leidenschaft wie einen Wirbelsturm in der meerblauen Iris entdeckte.
Vernünftig wäre es natürlich gewesen, erst mehr über ihn herauszufinden. Aber sie hatte heute keinerlei Lust auf Vernunft. Ich habe Lust, geküsst zu werden.
Die wenigen Millimeter bis zu seinem Mund waren schnell überwunden. Himmlisch! Er küsste besser, als jeder andere. Aber erst als er sie hochhob und zum Schlafzimmer trug, ohne seine Lippen von den ihren zu lösen, wusste Alva ganz sicher, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Auf der Bettkante setzte er sie behutsam ab, als fürchtete er, Alva könne zerbrechen. Sie hielt ganz still, während Julen ihr Haar beiseite streifte. Die federleichten Küsse, mit denen er erst ihren Hals und dann das Gesicht bedeckte, weckten ihre tiefsten Sehnsüchte nach Liebe und Geborgenheit, und sie gab bald dem sanften Druck nach, mit dem er sie in den Kissenberg drückte, der hinter ihr das Bett bedeckte. Mit angehaltenem Atem sah sie zu, wie er den obersten Knopf ihrer Jeans öffnete und das T-Shirt langsam hochschob. Nur kurz machte sie sich Gedanken darüber, ob sie ihren Bauch einziehen sollte, als ein Stöhnen über ihre Lippen kam, weil Julen einen
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