Das Ferienhaus der Liebe
aber das bin ich nicht wirklich, und mir liegt viel daran, ihnen zu beweisen, dass ich auch ausführen kann, was ich mir vorgenommen habe. Wenn sie erfahren, dass ich von Martine Sterne entlassen worden bin, werden sie glauben, ich könnte mich nicht allein über Wasser halten und du hättest mich aus Mitleid nach La Treille mitgenommen.”
Amüsiert sah Simon sie an. “Ich fühle mich zwar in gewisser Weise für dich verantwortlich, aber nicht einmal ich würde so weit gehen, aus reinem Mitleid das Bett mit dir zu teilen. Keine Sorge, ich beabsichtigte nicht, deinen Eltern etwas zu verraten, oder sonst jemand. Und was ist die zweite Bedingung?”
“Dass ich nicht so tun muss, als wäre ich Helena. Ich könnte niemand davon überzeugen, ich sei eine erstklassige Anwältin. Wenn Chantal von deiner Beziehung zu Helena gehört hat, musst du eben behaupten, du hättest dich inzwischen in mich verliebt.” Sie rang sich ein Lächeln ab. “Wie steht es denn mit deinen schauspielerischen Fähigkeiten, Simon?”
Statt zu antworten, nahm er ihre Hand, hob sie an die Lippen und drückte einen Kuss auf die Handfläche. “Habe ich dir heute schon gesagt, wie wunderschön du bist?” fragte Simon und sah Polly tief in die Augen.
Sie wurde rot. Stromstöße schienen sie zu durchzucken, und ihre Haut prickelte. Rasch versuchte sie, die Hand wegzuziehen, aber er umfasste diese nur fester und verschränkte die Finger mit ihren. Polly stockte der Atem. Sie konnte den Blick nicht von Simons lösen, und zum ersten Mal fiel ihr auf, wie dicht und dunkel seine Wimpern waren.
“Meine schauspielerischen Qualitäten halte ich für ausreichend”, sagte er leise und hielt ihre Hand weiterhin fest. “Wie steht es mit deinen?” Das klang herausfordernd.
Polly blickte ihm auf die Lippen, erinnerte sich daran, wie gut es sich angefühlt hatte, ihn zu küssen, und plötzlich wusste sie, wie sie zu reagieren hatte. Als wäre es das Natürlichste auf der Welt, neigte sie sich vor, presste Simon die Lippen auf den Mund und ließ sie dann verführerisch weitergleiten. Simon neigte sich ihr entgegen, und plötzlich vergaßen sie alles um sich her und küssten sich hingebungsvoll.
Schließlich hob Polly mühsam den Kopf, lehnte sich zurück und sah Simon verwirrt an. Sein Ausdruck war unergründlich, und sie hoffte, ihrer wäre es ebenfalls.
“Das war nur gespielt”, sagte sie und war erstaunt, wie beiläufig sie klang. “Ich glaube schon, dass ich es schaffe, deine Verlobte darzustellen.”
5. KAPITEL
“Das ist La Treille?” Interessiert sah Polly durchs Autofenster, als Simon vor einem alten Bauernhaus anhielt, das im Schatten großer Platanen und knorriger Olivenbäume stand.
Sie klang so überrascht, dass Simon die Brauen hochzog. “Gefällt es dir nicht?”
“O doch! Es ist sehr hübsch.” Sie betrachtete die rostroten Dachziegel und die zartgrünen Fensterläden. Töpfe mit leuchtend roten Geranien standen in dem rustikalen Vorhof, bunte Farbtupfer vor den grauen Steinmauern. “Ich hatte es mir nur anders vorgestellt.”
“Ja? Wie denn?”
“Ich weiß nicht genau. Häuser spiegeln doch die Persönlichkeit der Besitzer wider, oder?” fragte Polly und stieg aus. Die Luft war warm und duftete berauschend nach Jasmin und wildem Thymian. “Ich dachte, du würdest in einem schlichten, funktionalen Haus leben”, fügte sie hinzu und folgte ihm zur Haustür. “Lauter klare Linien und kein Durcheinander.”
“Drinnen herrscht kein Durcheinander”, erwiderte Simon, während er aufschloss. “Und so wird es bleiben. Ich möchte nicht, dass du dein übliches Chaos verbreitest”, fügte er streng hinzu. “Ich will nicht die nächsten zwei Wochen knietief in Tragetüten waten!”
Polly schnitt ein Gesicht und ging hinter ihm ins Haus. Die mit Steinplatten ausgelegte Diele mit den dicken Steinmauern war angenehm kühl.
Auf der Fahrt entlang der geraden, von Pappeln gesäumten Straßen hatten Polly und Simon über alles Mögliche diskutiert: angefangen von Musik über Schokolade und Politik bis zur Ursache für das Aussterben der Dinosaurier. Es war ganz wie in alten Zeiten gewesen, und die Verlegenheit, die zwischen ihnen nach dem Kuss am Frühstückstisch geherrscht hatte, war bald völlig verflogen gewesen.
Nicht dass Simon verlegen gewirkt hätte! Nachdem er seinen Willen durchgesetzt und Pollys Zustimmung bekommen hatte, seine Verlobte zu spielen, hatte er sie ins Zimmer geschickt, damit sie ihre Sachen packte.
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