Das Ferienhaus der Liebe
gelassen, und sein beiläufiger Ton erboste sie.
Simon könnte wenigstens anstandshalber so tun, als würde sie eine erregendere Wirkung auf ihn ausüben als eine Tasse Tee!
“So sagt man”, erwiderte Polly mühsam. Wenigstens bebte ihre Stimme nicht mehr.
“Vielleicht sollten wir öfter üben?” Das klang ironisch.
Trotzig hob sie das Kinn. Er brauchte nicht zu glauben, dass sie sich anmerken lassen würde, wie aufgewühlt sie noch war und wie weich ihr die Knie waren.
“Ja, vielleicht”, stimmte sie zu und sah Simon herausfordernd an.
“Wenn wir uns jeden Tag routinemäßig küssen, müssten wir ganz natürlich wirken, wenn wir es vor Chantal und Julien tun. Wir sind dann schon so daran gewöhnt, dass wir kein großes Aufheben davon machen, sondern es als ganz alltäglich empfinden.”
Simon konnte sich nicht vorstellen, einen solchen Kuss wie eben jemals als alltäglich zu empfinden, aber ihre kühle Reaktion beeindruckte ihn insgeheim. “Meinst du nicht, dass es ein gefährliches Spiel mit dem Feuer sein könnte, Polly?”
“Nein.” Sie gewann allmählich ihre Selbstsicherheit zurück und schwor sich, Simon deutlich zu zeigen, wie wenig sie von ihm beeindruckt war. “Wir finden uns gegenseitig doch überhaupt nicht anziehend. Ich will sagen: Du bist in Helena verliebt und ich in Philippe. Wir küssen uns nur, weil es zu unserer Rolle als Liebespaar gehört, nicht weil wir es wirklich wollen.” Wenn sie das oft genug wiederholte, würde sie es am Ende vielleicht sogar glauben. “Wir sollten es so oft proben, bis wir es ganz mechanisch tun können, ohne groß einen Gedanken daran zu verschwenden.”
Nachdenklich musterte Simon sie. Ja, das klang durchaus plausibel.
“Du meinst, wir sollten es als eine der täglichen Pflichten betrachten?”
“Ja genau! Wie Einkaufen oder Geschirr spülen.”
Er war sich nicht sicher, ob er es jemals als Routine ansehen könnte, sie zu küssen! “Und wann willst du mit den Proben beginnen?” fragte er, denn er wusste nicht, wie er jetzt noch einen Rückzieher machen konnte. “Sofort?”
Polly wäre gern so kaltblütig gewesen, zu bejahen, aber sie traute es sich nicht. Sie war noch immer von dem Kuss erregt und sich nicht einmal sicher, ob sie aufrecht würde stehen können, ohne sich am Fensterbrett festzuhalten. “Für heute haben wir unsere Pflicht getan”, sagte sie und wandte den Blick ab. “Wenn wir morgen weitermachen, ist das noch früh genug.”
“Ist dir entgangen, dass das Schlafzimmer mit Schränken und Schubladen ausgestattet ist, Polly?” Gereizt kam Simon, eine zerrissene Tragetasche in der Hand, am folgenden Morgen in die Küche. Er warf die Tüte in den Mülleimer und ließ krachend den Deckel zufallen.
Polly fuhr zusammen und hielt sich den Kopf. “Ist dir entgangen, dass ich einen fürchterlichen Kater habe, Simon?”
Am Vortag hatte Simon nachmittags keine Lust mehr gehabt, Vorräte zu besorgen, deshalb hatte er Polly zum Abendessen in ein einfaches, aber ausgezeichnetes kleines Restaurant in Marsillac eingeladen.
Polly erinnerte sich nur noch verschwommen daran, was sie gegessen hatte. Sie war - ungeachtet ihrer unerschrockenen Worte, das Küssen als alltägliche Aufgabe anzusehen - immer nervöser geworden, je näher der Abend rückte und damit der Zeitpunkt kam, sich im Dunkeln neben Simon ins Bett zu legen.
Im Restaurant trank sie schon vor dem Essen schnell zwei Glas Wein und fühlte sich danach entspannt genug, um den Abend zu genießen. Es war angenehm, seinen Begleiter nicht beeindrucken zu müssen. Wenn sie sonst eine Verabredung mit einem Mann hatte, ging sie immer wieder in den Waschraum, um zu prüfen, ob die hektischen Flecken am Hals schon verblasst waren oder ob ihr Make-up verschmiert war. Außerdem lachte sie entweder zu laut und zu viel, oder sie war so ängstlich darauf bedacht, einen guten Eindruck zu machen, dass sie fast kein Wort über die Lippen brachte.
Bei Simon brauchte sie sich deswegen keine Sorgen zu machen, sie konnte sich einfach so geben, wie sie war. Da sie zum Essen auch noch Wein tranken, fiel es später gar nicht schwer, mit Simon ins Bett zu gehen.
Morgens wachte sie allerdings mit rasenden Kopfschmerzen und trockenem Mund auf. Er war noch immer wie ausgedörrt, obwohl sie schon mehrere Tassen Tee getrunken hatte. Polly schluckte zwei Schmerztabletten und sah Simon mit trübem Blick an.
“Worüber meckerst du eigentlich? Ich habe doch alles weggeräumt, weil ich wusste, du
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