Das Fest der Schlangen
auf Joe Doyle. Der starrte mit puterrotem Gesicht auf die Tischplatte.
Kurz darauf saßen wieder alle, und Brotman stand auf. »Doyle«, sagte er.
Joe Doyle erhob sich. »Es tut mir leid, dass ich das gesagt habe, Bobby. Ich schätze, ich stehe mächtig unter Druck, wie wahrscheinlich alle hier.«
Bobby sah Doyle mit kühlem Blick an. »Entschuldigung akzeptiert.«
Woody wusste, Bobby hätte Doyle lieber ein Veilchen verpasst. Er fragte sich, was aus den Ermittlungen werden würde, wenn sie alle anfingen, übereinander herzufallen. Tja, die Antwort kannte sogar Ajax.
Brotman wandte sich an Bobby. »Finden Sie Carl Krause und fragen Sie ihn nach seinen Medikamenten.«
Als Nächster ergriff Bingo Schwartz das Wort. Er habe Ronnie McBride nicht auftreiben können. Seit Freitag habe ihn niemand mehr gesehen. Er erwähnte, dass er Ronnies Haus durchsucht hatte, und sprach auch von den zehn Teddybären, die in einer Reihe auf den Kopfkissen gesessen hatten.
»Wer ist dieser Typ eigentlich?«, fragte Joe Doyle. Mit dem abwertenden Ton seiner Frage gab er zu verstehen, dass er zwar geschlagen, aber nicht besiegt worden sei.
»Das hier ist eine Kleinstadt«, antwortete Captain Brotman, »und wir haben es mit einer Reihe höchst ungewöhnlicher Vorfälle zu tun. Anscheinend besteht zumindest die Möglichkeit, dass sie in irgendeiner Weise zusammenhängen. Dieser Möglichkeit werden wir bis zum Beweis des Gegenteils nachgehen.«
Als die Besprechung eine halbe Stunde später zu Ende ging, fragte Woody: »Glaubst du wirklich, dass Carl was mit dem verschwundenen Baby zu tun hat?«
»Willst du mich auch beleidigen?«, fragte Bobby halb im Ernst. »Ja, es ist so eine Ahnung. Afrikanische Intuition, geradewegs vom Hexendoktor. Carl hat in irgendeiner Weise damit zu tun. Und ich will sicher sein, dass Hercel nichts passiert. Ich mag ihn. Außerdem habe ich ein absolut mieses Gefühl wegen dieser Kojoten. Es gefällt mir nicht, wie sie die Füße des Mädchens zerfressen haben, und es gefällt mir nicht, wie sie durch diese Stadt laufen, als ob sie ihnen gehört. Das ist nicht die Art von Kojoten.«
Mackie McNamara lebte in einer Welt ohne Grauzonen. Er sah die Dinge schwarz oder weiß, und das war’s. Er war kein schlechter Mensch. Er begriff nur nicht, wo das Problem war; er begriff nicht, warum alle herumwuselten wie ein paar alte Hühner. Wenn man ein Problem hatte, regelte man es. Ganz einfach.
Er fuhr Bulldozer bei einer Abrissfirma im Warwick, wohnte jedoch in Brewster, und seine Familie wohnte seit hundert Jahren in Brewster. Jetzt war hier alles im Arsch. Er wohnte mit einer Frau und zwei Kindern in einem relativ neuen Ranchhaus am Rande der Stadt. Auf dem Weg zur Arbeit und zurück hörte er gern Talkradio, und vieles machte ihn stinkig. Er sagte gern, wenn man jeden Tag eine Viertelstunde in der Bibel las, hatte man sie in einem Jahr durch. Er war jetzt bei seinem fünften Bibel-Durchgang, auch wenn nicht ganz klar war, was er dabei gelernt hatte. Er war vierzig Jahre alt.
Als das Baby aus dem Morgan Memorial Hospital gestohlen worden war, hatte Mackie genauso bestürzt reagiert wie alle anderen. Er kannte Ralph Summers – Peggys Vater – praktisch sein Leben lang, und Mabel kannte er auch. Und er hatte Harold Lefebvre gekannt – nicht gut, aber immerhin. Dann war da die Skalpierung und das andere Zeug. Mackie wusste genau, das alles kam aus diesem You-You-Laden. Er mochte keine Lesben und keine Schwulen, er mochte keine Farbigen und keine Linken, und er mochte niemanden, der die Flagge nicht achtete. Was übertrieben ist, denn Mackie kannte spezielle Lesben, Schwule und Schwarze, gegen die er gar nichts hatte. Er hatte nur ein übles Gefühl, und das You-You stand dabei im Zentrum.
Wenn er allein gewesen wäre, hätte man dieses Gefühl einer Gesellschaftsverdrossenheit von der Sorte »Lauter Arschlöcher da draußen« zugeschrieben, aber Mackie hatte einen Haufen Freunde, die genauso empfanden wie er. Manche mehr, manche weniger. Wenn sie bei Tony’s, nicht weit von der Water Street, ihr Bier kippten, dachten sie es vielleicht oft. Auf der Arbeit dachten sie es seltener. Im Großen und Ganzen dachten sie, die ganze Stadt ginge den Bach runter. Sie waren nicht dumm, aber sie waren auch nicht sonderlich gebildet. Es war, als habe jeder von ihnen den Teil einer Idee: Legte man sie zusammen, wurde daraus ein vollständiger Gedanke. Jeder hatte eine Abneigung, das Gefühl, dass die Dinge nicht so liefen, wie
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