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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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nicht, daß ich viel tun kann, aber wenn ich etwas tun kann, dann rechne mit mir.« »Hat Chirinos dir gesagt, was sie mir vorwerfen?« »Er hat sich darauf beschränkt, mir den Befehl zu übermitteln und zu salbadern: ›lch weiß nichts. Ich bin der bescheidene Überbringer einer höheren Entscheidung.‹« »Dein Papa hatte immer den Verdacht, daß Chirinos, der Flüssige Verfassungsrechtler, der Intrigant war«, erinnert sich Tante Adelina.
    »Dieser halbe Neger, dieser widerliche Fettsack gehört zu denen, die sich am besten angepaßt haben«, fällt Lucindita ihr ins Wort. »Erst Tisch und Bett mit Trujillo, dann Minister und Botschafter von Balaguer. Siehst du, was das für ein Land ist, Uranita?«
    »Ich kann mich gut an ihn erinnern, ich habe ihn vor ein paar Jahren in Washington gesehen, als Botschafter«, sagt Urania. »Er kam oft zu uns nach Hause, als ich klein war. Er schien ein enger Freund von Papa zu sein.« »Und von Aníbal und mir«, fügt Tante Adelina hinzu. »Er kam hierher mit seinem gespreizten Getue, er sagte uns seine Gedichte auf. Immer zitierte er Bücher und machte auf gebildet. Einmal hat er uns in den Country Club eingeladen. Ich wollte nicht glauben, daß er seinen lebenslangen Freund verraten hatte. Na ja, in der Politik geht man eben über Leichen.«
    »Onkel Agustín war viel zu ehrlich, viel zu gut, deshalb haben sie ihn fertiggemacht.«
    Lucindita erwartet, daß sie ihr recht gibt, daß auch sie gegen diese Infamie protestiert. Aber Urania hat keine Kraft zu heucheln. Sie beschränkt sich darauf, ihr mit betrübter Miene zuzuhören.
    »Mein Mann, Friede seiner Asche, hat sich dagegen wie ein Ehrenmann verhalten, er hat deinem Papa seine volle Unterstützung gegeben.« Tante Adelina läßt ein kleines sarkastisches Lachen vernehmen. »Ein schöner Quijote! Er verlor den Posten im Tabakkonsortium und fand nie wieder Arbeit.«
    Der Papagei Samson gibt abermals einen ganzen Sturzbach von Schreien und Geräuschen von sich, die wie Beschimpfungen klingen. »Hält’s Maul, du Murmeltier«, schimpft Lucindita.
    »Wenigstens haben wir den Humor nicht verloren, Kinder«, ruft Manolita aus.
    »Such mir den Senator Henry Chirinos und sag ihm, daß ich ihn sofort sehen will, lsabel«, befiehlt der Senator Cabral, während er sein Büro betritt. Und, an Dr. Goico gewandt: »Wie es scheint, hat er diesen Wirrwarr gestiftet.« Er setzt sich an seinen Schreibtisch, schickt sich an, abermals den Terminplan des Tages durchzusehen, aber plötzlich wird ihm seine Situation bewußt. Hat es Sinn, Briefe, Beschlüsse, Memoranden, Vermerke als Präsident des Senats der Republik zu unterzeichnen? Es ist zweifelhaft, daß er es bleiben wird. Das Schlimmste ist, vor seinen Untergebenen Mutlosigkeit erkennen zu lassen. Gute Miene zum bösen Spiel. Er nimmt die Dokumentenmappe und beginnt das erste Schriftstück zu lesen, als er bemerkt, daß Parisito noch immer da ist. Seine Hände zittern:
    »Herr Präsident, ich wollte Ihnen sagen…«, stammelt er, tief aufgewühlt. »Egal, was geschieht, ich bin auf Ihrer Seite. In jedem Fall. Ich weiß, wieviel ich Ihnen verdanke, Dr. Cabral.«
    »Danke, Goico. Du bist neu in dieser Welt und wirst Schlimmeres erleben. Mach dir keine Sorgen. Wir werden diesen Sturm überstehen. Und jetzt an die Arbeit.« »Der Senator Chirinos erwartet Sie bei sich zu Hause, Herr Präsident.« Isabelita betritt mit diesen Worten das Büro. »Er selbst war am Telefon. Wissen Sie, was er zu mir gesagt hat? ›Die Türen meines Hauses stehen meinem guten Freund, dem Senator Cabral, Tag und Nacht offen.‹« Als er das Gebäude des Kongresses verläßt, salutiert die Wache wie immer. Dort steht auch das schwarze, düstere Auto. Aber sein Assistent, Leutnant Humberto Arenal, hat sich in Luft aufgelöst. Teodosio, der Chauffeur, öffnet ihm die Wagentür.
    »Zum Haus des Senators Henry Chirinos.« Der Fahrer nickt, ohne den Mund aufzumachen. Später, als sie in die Avenida Mella einbiegen, am Rand des Kolonialviertels, schaut er ihn im Rückspiegel an und informiert ihn:
    »Seitdem wir vom Kongreß losgefahren sind, folgt uns eine Wanne mit caliés, Doktor.«
    Cabral schaut sich um: Fünfzehn oder zwanzig Meter entfernt sieht er einen der unverwechselbaren schwarzen Volkswagen des Geheimdienstes. In der blendenden Morgenhelle kann er nicht erkennen, wie viele caliés darin sitzen. ›Jetzt eskortieren mich die Leute vom SIM anstelle meines Assistenten/ Während das Auto durch die engen, vor

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