Das Fest des Ziegenbocks
klug, die Ankunft von General Ramfis Trujillo abzuwarten? Sollte der älteste Sohn des Chefs, sein geistiger, militärischer und politischer Erbe, nicht konsultiert werden?« Er warf einen Blick auf die Frau, die, so verlangte es das von Trujillo eingerichtete strikte Protokoll, von den Gesellschaftschronisten immer die Vortreffliche Dame genannt werden mußte. Maria Martínez de Trujillo reagierte gebieterisch:
»Dr. Balaguer hat recht. Bis Ramfis kommt, darf sich nichts ändern.« Ihr rundes Gesicht hatte wieder Farbe bekommen.
Als General Roman sah, wie der Präsident der Republik schüchtern die Augen senkte, erwachte er einige Sekunden aus dem Zustand geistiger Verirrung, in dem er erstarrt war, und sagte sich, daß dieser wehrlose kleine Mann, der Verse schrieb und in dieser Welt von Machos mit Revolvern und Maschinenpistolen so bedeutungslos wirkte, im Unterschied zu ihm ganz genau wußte, was er wollte und was er tat, denn er verlor nicht einen Augenblick die Gelassenheit. Im Lauf dieser Nacht, der längsten seines halben Jahrhunderts Leben, erkannte General Roman, daß dieses zweitrangige Wesen, das alle immer für einen Schreiberling, eine kleine dekorative Figur des Regimes gehalten hatten, in der Leere und im Chaos, die nach dem Geschehen entstanden waren, eine überraschende Autorität anzunehmen begann.
Wie im Traum sah er diese Versammlung von Trujillos Verwandten, Vertrauten und Würdenträgern in den folgenden Stunden die Reihen schließen, in Gruppen zerfallen und neue
Konstellationen bilden, während die Ereignisse sich zusammenfügten wie Teile eines noch unvollständigen Puzzles, bis schließlich eine kompakte Figur entstanden war. Noch vor Mitternacht traf die Nachricht ein, daß die Pistole, die man am Ort des Attentats gefunden hatte, General Juan Tomás Diaz gehörte. Als Roman befahl, außer dessen Haus auch die seiner sämtlichen Brüder zu durchsuchen, informierte man ihn, daß die Patrouillen des SIM unter der Leitung von Oberst Figueroa Carrión bereits dabei seien und daß der Bruder von JuanTomás, Modesto Díaz, von seinem Freund, dem Hahnenkamprliebha-ber Chucho Malapunta, zu dem er sich geflüchtet hatte, an den SIM ausgeliefert worden sei und sich bereits in La Cuarenta befinde. Fünfzehn Minuten später rief Pupo seinen Sohn Álvaro an. Er bat ihn, ihm Extra-Munition für sein M1Gewehr zu bringen (er hatte es nicht von der Schulter genommen), denn er war überzeugt, daß er sein Leben jeden Augenblick verteidigen oder eigenhändig beenden müßte. Nachdem er in seinem Büro mit Abbes García und Oberst Luis JoséLeon Estévez über Bischof Reilly gesprochen hatte, ergriff er die Initiative und sagte, man solle ihn unter seiner Verantwortung mit Gewalt aus der Santo-Domingo-Schule holen, und stimmte dem Vorschlag des Chefs des SIM zu, ihn zu exekutieren, da kein Zweifel an der Verwicklung der Kirche in die kriminellen Machenschaften bestehen könne. Der Ehemann Angelita Trujillos faßte an seinen Revolver und sagte, es sei eine Ehre für ihn, den Befehl auszuführen. Noch vor Ablauf einer Stunde kehrte er wütend zurück. Die Operation war zwar ohne größere Zwischenfälle über die Bühne gegangen, abgesehen von ein wenig Gerangel mit ein paar Nonnen und zwei Redemp-toristen-Priestern, ebenfalls Gringos, die versucht hatten, den Würdenträger zu schützen. Das einzige Todesopfer war ein Schäferhund, der Wachhund der Schule, der einen ca/ìé gebissen hatte, bevor ihn eine Kugel traf. Der Bischof befand sich jetzt in der Haftanstalt der Luftwaffe, bei Kilometer neun der Straße nach San Isidro. Aber Major Rodríguez Méndez, der Anstaltsleiter, hatte sich geweigert, den Bischof zu exekutieren, und
verhindert, daß Pechito Leon Estévez es tat, wobei er Befehle des Präsidenten der Republik geltend machte. Perplex fragte Roman, ob er sich auf Balaguer beziehe. Der Ehemann Angelita Trujillos nickte, nicht weniger fassungslos:
»Anscheinend glaubt er, daß er existiert. Unglaublich ist nicht, daß dieser Hampelmann sich in diese Angelegenheit einmischt. Sondern daß man seinen Befehlen gehorcht. Ramfis muß ihn in die Schranken verweisen.« »Es ist nicht nötig, auf Ramfis zu warten. Ich werde ihn jetzt gleich zur Rechenschaft ziehen«, explodierte Pupo Roman. Er begab sich mit großen Schritten zum Amtszimmer des Präsidenten, aber im Gang wurde ihm plötzlich schwindlig. Es gelang ihm gerade noch, sich tastend zu einem abseits stehenden Sessel zu bewegen, in den er sich
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